6854980-1977_11_13.jpg
Digital In Arbeit

Labyrinth der Emotionen

19451960198020002020

Es gibt ein Stück von Arthur Schnitzler, das nach der Uraufführung am Anfang unseres Jahrhunderts in Berlin bald abgesetzt wurde, dann sonderbarerweise Erfolg hatte, auch in Wien, heute aber kaum bekannt ist:.„Der Ruf des Lebens”, derzeit im Burgtheater aufgeführt.

19451960198020002020

Es gibt ein Stück von Arthur Schnitzler, das nach der Uraufführung am Anfang unseres Jahrhunderts in Berlin bald abgesetzt wurde, dann sonderbarerweise Erfolg hatte, auch in Wien, heute aber kaum bekannt ist:.„Der Ruf des Lebens”, derzeit im Burgtheater aufgeführt.

Werbung
Werbung
Werbung

‘Österreich, Mitte des vorigen Jahrhunderts: Die blauen Kürassiere gehen bei Kriegsbeginn bewußt in den sicheren Tod, um das Regiment von der Schande reinzuwaschen, daß es Jahrzehnte früher vor dem Feind floh. Gab es das? Heute wäre es wohl undenkbar.

Der ehemalige Rittmeister Moser, der diese Flucht bewirkte, kujoniert als Greis seit langem seine geduldige Tochter Marie. Sie geht schließlich doch durch, begreiflich. Vergiftet aber vorher den Vater. Unglaubhaft bei ihrer Wesensart. Marie flüchtet zu Leutnant Max, einem der Todgeweihten, wird, hinter einem Schrank versteckt, Zeugin eines Auftritts zwischen ihm und seiner verabschiedeten Geliebten, der Frau des Obersten. Nicht genug damit, erscheint der Öberst selbst und erschießt kurzerhand seine Frau. Man faßt es nicht, soviel Kolportage bei Schnitzler. Wir erfahren übrigens auch, daß sich Max nachher erschossen hat. Stellt sich Marie der Polizei, was anzunehmen wäre? Keineswegs, sie lebt verdüstert weiter. Lahmer dritter Akt. Schnitzler versuchte noch nach fast einem Vierteljahrhundert, knapp vor seinem Tod, ihn umzuarbeiten.

Der Ruf nach dem Leben führt in den Tod. Fünf Tote allein unter den auftretenden Gestalten, von den blauen Kürassieren kommt keiner zu rück. Die Schnitzlersche Thematik, Konfrontationen des Lebens mit dem Tod, ist arg vergröbert, es gibt keine tiefere Sicht, nichts von Schnitzlers Subtilität, von seinen Zwischentönen. Regisseur Johannes Schaaf, der einen guten Ruf hat, bleibt in einer lediglich passablen Leistung stecken. Man kann es ihm nicht verargen. Unkonventionelle, aber leider stückfremde Bühnenbilder von Karl Emst Herrmann: Statt in Stuben spielen die beiden ersten Akte jeweils auf einem langen Gang, im dritten Akt gibt es einen Wald dicht gestellter grauer, säulenartiger Bäume. Die Verlegung des Stük- kes in die Zeit um 1900 durch die Kostüme wirkt ebenfalls abträglich. Attila Hörbiger macht das Bösartige des alten Moser glaubhaft, Gertraud Jesse- rer ist eine meist unverständlich sprechende Marie, Wolfgang Hübsch bleibt als Max stückbedingt verhalten. Eli sabeth Orth entspricht leider vom Typ her nicht der Oberstenfrau, dem Oberst gibt Erich Auer die gemessene Haltung des Offiziers.

Im Gegensatz zu dem sehr lange nicht gespielten Stück von Schnitzler war Strindbergs „Totentanz” in letzter Zeit zweimal bei Gastspielen in Wien zu sehen. Aufführung derzeit im Akademietheater. Mehr und mehr nimmt diese Haßorgie, dieser infernalische Geschlechterkampf, das Vampirhafte des Kapitäns Edgar in unserer heutigen Theaterlandschaft nach der B ruta- litätswelle eine andere Position als früher ein. Daher dämpft Regisseur Achim Benning die Geschehnisse, läßt sie glosen, nur selten auflodern, bettet sie in sehr viel Stille. Die Dämonie des Realen wird zur Dämonie unterschwelliger Determiniertheit. Dem entspricht das eindrucksvolle Spiel von Hans Christian Blech als Edgar, von Hilde Krahl als Alice. Wolfgang Gasser bleibt als Kurt farblos. Die Übersetzung stammt von Heiner Gimmler, Benning richtete das Stück ein, verzichtete auf den zweiten Teil.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung