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Liebe zu Bukarest

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„Ich träumte von einem Liebesroman, der ganz anders sein sollte als alles, was bis dahin geschrieben worden war - eine vollkommene Liebe, wäre da nicht ein mythisches Element dazwischengetreten, der Wunsch nämlich, diese Liebe fruchtbar zu machen“. So umschreibt Mircea Eliade die Thematik seines Romans „Hochzeit im Himmel" im zweiten Band seiner Memoiren.

„Das Thema ist denkbar einfach: zwei Männer treffen sich zufällig bei einer Jagdpartie und erzählen sich gegenseitig die Geschichte ihrer’ ‘großen Liebe“1. Im Laufe der Nacht, bei Kaffee und Tabak, werden sich der junge Dichter Andrei Mavrodin und Bojar Barbu Hasnas darüber klar, daß sie dieselbe Frau geliebt haben - Hasnas nach dem Ersten Weltkrieg im frivolen Bukarest der zwanziger Jahre (1024 bis 1027), Mavrodin neun Jahre später (1033 bis 1034). Beide haben das Wunder nicht rechtzeitig zu erkennen vermocht, das ihnen zuteil wurde und Lena/Üeana verloren: „Für einen Mann, der einmal eine große Liebe erlebt hat, ist es immer zu spät“, bekennt Hasnas seinem Gegenüber.

Mavrodin versucht ein Jahr lang, seinen Dämon, die Schriftstellerei, zu vergessen und sich allein ūeana zuzuwenden. Doch selbst dieses Jahr ist geprägt von Vorboten künftiger Trennung: das Liebespaar verbringt Ostern, das höchste Fest der orthodoxen Christenheit, in einem kleinen Bergdorf. Während der traditionellen Karfreitags-Totenklage bricht Ileana plötzlich in Tränen aus: „Es ist wahr, daß er jetzt gestorben ist“. In der Osteroacht, kurz bevor die Lichter angezündet wer den, erreichen die beiden Liebenden die Kirchenpforte: „Christus ist auf erstanden 1“. Ileana küßt Mavrodin auf beide Wangen.

Trennung und Wiedervereinigung, Opfer und Auferstehung sind das Leitmotiv dieses Romans: Ileana, Verkörperung der sakralen Bedeutung der menschlichen Existenz, vergleicht sich an einer Stelle mit der Gattin des „Mesterul Mano- le“: Wie die eingemauerte Ehefrau in der rumänischen Bauopfer-Legende muß sie ihr Leben hingeben, damit der Ehemann schöpferisch tätig sein kann. Aber sie weiß, daß Ostern kommen wird, daß sie wieder aufersteht und mit ihrem Geliebten vereinigt wird.

Diese gleichzeitig diesseitige und jenseitige Osterbotschaft findet ihre Entsprechung in der Weihnachtsszene. Ileana erwartet ein Kind von Mavrodin und hofft, er werde dieses Weihnachtsgeschenk annehmen. Liebevoll schmückt sie die Tanne und legt lauter Spielzeug unter den Christbaum. Sternsinger treten ins Zimmer: „Astazi s’a nascut/Prunc din Duhul Sfant“ (Heute ist gebo- ren/Ein Kind vom Heiligen Geist). Doch vergebens. Mavrodin kann und will nicht auf seine schöpferische Freiheit verzichten. So bleibt er allein zurück und schreibt den Roman „Hochzeit im Himmel“, in der Hoffnung, Ileana werde ihm verzeihen.

„Indem er sein Schicksal als geistiger Schöpfer annimmt, hofft der Dichter“, so Eliade in seinen Memoiren, „daß die Hochzeit, von der Ileana geträumt hat, doch noch irgendwo vollzogen werden kann, im

Himmel, in aetemum“.

Mircea Eliade hat sich gelegentlich gegen Versuche gewehrt, seine Romane im Licht seiner religionswissenschaftlichen Werke zu interpretieren. Dennoch kann man nicht umhin, hier eine Parallele zur hinduist ischen Mystik zu ziehen, in der die „Liebe ohne Frucht“ zur höchsten Vollendung, der „Unio Mysti- ca“, führen kann. „In einem gewissen Sinne habe ich in diesem Roman das ‘Ewig Weibliche zu beschreiben versucht“, notiert Eliade in seinen Memoiren. „In dem Maße, da Ileana das rumänische ‘Ewig Weibliche verkörpert, ist sie dazu bestimmt, unter der sanften Hingabe und der weisenHeiterkeitunerkenn- bar, unerfaßbar zu bleiben, wie sie für alle rumänischen Daseinsformen charakteristisch ist.“

Bukarest ist übrigens in vielen Romanen Mircea Eliadės wichtige Szenerie des Geschehens. In „Hochzeit im Himmel“ steigert sich die Liebe zur Heimatstadt zu einer herbstlichen, traurig-melancholischen Apotheose des Liebespaares Heana-Mavrodin:

„Ich bin einer der wenigen Buka- rester, die ihre Stadt wirklich kennen und lieben. Sobald die Sonne zu sinken begann, machten wir uns auf den Weg und begaben uns auf die Suche nach Straßen, die wir noch nicht gemeinsam durchstreift hatten, entdeckten neue, über Nacht aus dem Boden gestampfte Stadtteile, suchten liebgewonnene Winkel wieder auf, meist gottverlassene kleine Gärten. Sie hatte Bukarest lieben gelernt, ebenso wie ich. Jeden Tag machte sie eine Entdek- kung und verliebte sich in die Melancholie der Abenddämmerung in dieser Stadt, diese fast unnatürliche Klarheit des Himmels, die alten, vom Regen zerfressenen Gehsteige in öden Gassen, wo die Schritte dumpf widerhallten“.

Die „lyrische Glorifikation der Stadt“, wie Mircea Handoca diese Stelle genannt hat, verkörpert die zweite, in mancher Hinsicht prophetische Dimension des Romans, der 1938 entstanden ist, als Eliade im Straflager Miercurea Ciuc interniert war, zwei Jahre vor dem Londoner Exil. „Hochzeit im Himmel“ ist Abschied von einer großen Liebe, aber auch Abschied von der Heimat, von der Stadt Bukarest, deren melancholischer Charme E lia- de seit seinen frühesten Werken in Bann gezogen hat.

In seinem Buch „Bucarest“ (Paris 1935) hat Paul Morand die Mahala, die Peripherie Bukarests, als ein Decrescendo beschrieben, als eine leuchtende Farbe, die verblaßt, eine Welle, die verebbt:

„Die europäische Stadt vei> schwindet und macht Asien Platz. Die Straße wird zur Piste, der Staub vergoldet die Häuser. Ohne Übergang öffnet sich der Horizont ins Unendliche, vor uns liegen Persien, die Gobi, Tibet“.

Dieses unendliche, gegen Osten offene und empfangsbereite Bukarest ist die Wiege Mircea Eliadės. Aus dieser Stadt schöpfte er die Kraft und die Inspiration für seine Werke, zu ihr kehrte er im Geiste zurück, wenn er sich nach Heimat, nach W iederverwurzelung sehnte.

„Auf andere Himmel sollst Du Deine Blicke richten, unter dem Himmel Deiner Welt aber sollst Du träumen“, sagt Eliadės Freund, der Philosoph Constantin Noica (1908 bis 1987). So ist „Hochzeit im Himmel“ gleichzeitig ein Hymnus auf eine große Liebe, aber auch ein Vademecum.BegleiteründBeschüt- zer Mircea Eliadės ins Exil. Lena/ Ileana und Bukarest sollten ihn davor bewahren, seine Wurzeln zu verlieren.

HOCHZEIT IM HIMMEL. Von Mircn Eliade. Verlag Herder, Freibuig1989.208Seiten, geb., öS 249,60

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