6841299-1975_45_12.jpg
Digital In Arbeit

Meisterwerke — einfach serviert

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn man dem Moskauer Kammerorchester etwas nachsagen darf, dann sicherlich nicht mangelnde Präzision. Das bewiesen die Russen im Musikverein mit einem erlesenen Bach- und Haydn-Programm, aber sowohl das Ricercar aus dem „Musikalischen Opfer“ als auch die Abschiedssymphonie wären flexibler, lebendiger, temperamentvoller ausgefallen, wenn sich die Musiker einem guten Dirigenten anvertraut hätten. Bloß Bachs Suite in h-Moll gefiel ohne Einschränkungen: Hier übernahm eigentlich der grundmusikalische Flötensolist Albert Razbaum die verantwortliche Führung und brachte die richtige Bewegung ins Spiel seiner Kollegen. Die kollektive Einhaltung einer Linie scheint mehr die Sache der Politik als der Musik zu sein....

*

Christoph Willibald Glucks Oper Orpheus und Eurydike ist in aller Welt ein Stiefkind der Musikbühne, entspricht schlecht der vorwiegend kulinarischen Einstellung des traditionellen Opernpublikums. Deshalb muß man auch die „verbilligte“ Aufführung mit zweitklassigen Solisten und rasch zusammengestellten Ensembles in Kauf nehmen, wie sie unter Otto Partmann im Konzerthaus stattfand. Wer ihm beim Dirigieren zusah, merkte, daß er genug Ideen für ein detailreiches, gutes Musizieren hatte, die Capella symphonica aber eben nicht befriedigend zu folgen vermochte. Trotzdem hatten die Chöre (Colleotum cantorum) Kraft und Größe, vermochte der Einsatz der Solistinnen Elisabeth Kummer (Orpheus), Erika Mechera (Eurydike) und nicht zuletzt Helga Reiter (Amor) einiges vom großen dramatischen Atem des Opernreformators Gluck zu vermitteln.

Joseph Haydns Scliöpfung bedarf keiner konservierenden Pflege, steht mitten im Bewußtsein des Publikums in aller Welt. Wenn man sie aufführt, sollte man nicht sparen. Gerade diesen Eindruck aber hatte man von der Aufführung unter dem trefflichen Günther Theuring im Musikverein. Der Sopran von Rotraud Hansmann wirkte unsicher, strapaziert, der Tenor von Alexander Oliver bei geringem Volumen trotzdem zu schwer, und Benjamin Luxon durfte man nicht an seiner Leistung in den „Müllerliedern“ messen, die im Vorjahr so großartig ausgefallen war: Affekt ist eine herrliche Sache, darf aber nicht zu Lasten der Intonation gehen... Einen guten Eindruck machte der neugegründete Wiener Philharmonia Chor, dessen Kern der Wiener Kammerchor bildet, und der vielleicht nur noch einer kleinen Verbesserung bei den Tenören bedürfte, verläßlich wie immer wirkte Rudolf Scholz am Cembalo,'und das Haydn-Orchester Bozen-Trient stellte sich als sehr guter Klangkörper vor. Theuring wölbte einen tragfähigen Spannungsbogen und gewann dem Orchester schöne Wirkungen ab. Für die Musikmetropole Wien war das alles nicht mehr als Durchschnitt, für viele Gebiete Italiens und Österreichs aber, die mit diesem Werk im Rahmen einer Tournee erreicht werden sollen, kann die Berührung mit diesem Meisterwerk der Weltliteratur von Bedeutung sein.

*

Großes Pech meisterte Ali Rahbari mit Charme und Können: Im Mozartsaal erwartete man die Uraufführung seines Violinkonzertes „Nohe-Khan“; Solist sollte der persische Geiger, Wiener „Akademiker“ und Konzertmeister der Tonkünstler, Bijan Khadem-Missagh, sein; aber sein Flugzeug (er hatte zuvor in Teheran konzertiert) konnte wegen Nebels nicht in Wien landen, und so mußte der Komponist (auch er hat in Wien studiert!) in rascher Arbeit seine Musik, die aus einem Ballett hervorgegangen war, für Orchester adaptieren. Eine stellenweise sehr dichte Struktur, orientalische Melodik und lebhafte Farbigkeit stellten dem Einfallsreichtum seines Schöpfers eigentlich auch „so“ ein sehr gutes Zeugnis aus. — Eingerahmt war das Werk des 27jährigen von Beethovens Egmont-Ouvertüre und der „Italienischen“ von Mendelssohn. Rahbari brillierte hier als temperamentvoller, umsichtiger Dirigent mit guten technischen Qualitäten und großer Musikalität, die Tonkünstler spielten merklich um „die“ eine Klasse besser als sonst oft, mit Animo, sauber und plastisch. Man darf auf die weitere Karriere Rahbaris neugierig sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung