6920516-1981_42_20.jpg
Digital In Arbeit

Mit Kreativität!

Werbung
Werbung
Werbung

Der Interviewer brauchte sich gar nicht erst an seine üblichen Antwort-Kitzel-Tricks machen; sein Gegenüber war in überschwelliger Interview-Laune. Der Anlaß war aber auch allzu bedeutend. Da hatte in einer Zeit, in der, glaubt man den hier zuständigen Spezial-Wissenschaftlern auf’s ausgetüftelte Wort, allenthalben das Lesen verlernt wird, der bislang noch nicht sonderlich auffäl-

lige Verleger Franz F.K. - der Name sei aus den sattsam bekannten Gründen hier wie üblich verstümmelt — seinen Umsatz an Druckprodukten vervielfacht.

„Sie werden sich und mich sicherlich fragen, sehr verehrter Herr Chefredakteur" jovialte Honorarkonsul F.K.(die Pflicht der Verstümmelung des Namens bezieht sich nicht auf Titel!) „wie es", er versuchte jeden einzelnen Buchstaben zu betonen, „heute möglich ist, ein Verlagsprogramm wie das unsere, so breit und tief, so wichtig und wuchtig, an den barzahlenden Mann - und natürlich auch an die Frau zu bringen".

„In der Tat- " wollte sich der Interviewer dazwischen zwängen, um seinem Kameramann wenigstens einen Gegenschuß auf das eigene Gesicht zu ermöglichen, aber der erfolgreiche Verleger verwehrte ihm diese Möglichkeit:

„Wir verkaufen Kochbücher und Kirchenrecht, Witzesammlungen und Wissenschaftliche Abhandlungen, Belletristik und Boulevard, Phantastische Literatur und Pornographie. Weil wir alles verkaufen, haben wir mit niemandem Ärger: nicht mit den Antiklerikalen wegen unserer Gebetbücher, nicht mit den Sittenschützern wegen unserer Schlüpfrigkeiten und nicht mit der Bundesvereinigung Gastronomischer Betriebe wegen unserer Kochbücher. Nur die Konkurrenz, soferne es eine solche heute noch gibt, ärgert sich: wir setzen alle unsere Druckwerke ab. Alle."

„Ja, aber — " wiederum startete der Interviewer einen, freilich erneut erfolglosen Versuch, eine fernsehgerechte Zwischenfrage zu stellen

„Richtig gefragt, verehrter Herr Doktor, wie aber macht man dies?" und er schaute ein riesiges Fragezeichen vor sich in die Luft. Die Antwort ließ einen Moment auf sich warten, aber der Fernsehmann reaigierte verzögert. So schlug Konsul Dr. h. c. Franz F. K. abschließend zu: „Mit Kreativität! Mit Kreativität!"

Nun war endlich die Reihe am Fernsehfragemann: „Ja, aber Sie schreiben doch Ihre Bücher nicht selbst!"

Der erfolgreiche Verleger strahlte: „Die Bücher nicht, Verehrtester, aber die Titel. Heute ist die KA — die Kreative Abteilung -die größte im Verlag. Ich beschäftige nur höchstbezahlte Spezialisten.

Sehen Sie", kam er der zu erwartenden Frage erneut zuvor, „das geht ungefähr so. Da kommt zu Ihnen ein magersüchtiger Soziologieprofessor mit einer mehrhundertseitigen wissenschaftlichen Arbeit über die Veränderungen im Moralbegriff der weiblichen, inländischen Arbeitnehmerinnen im Gastgewerbe in den Wiener Bezirken 12 - 17 in den Jahren 1972 - 73 unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen der städtischen Beherbergungsbetriebe.

Kauft kein Mensch. Das Werk ist billig, also erwerben wir alle Rechte. Es kommt in die KA und nach zwei Monaten zurück. Nun heißt es .Neues von Josefine M. Junge Mädchen berichten schonungslos.’ Wir verkaufen in Bahnhofsbuchhandlungen vier Auflagen."

Der Fernsehredakteur vergißt irritiert zwischenzufragen.

„Oder ein anderes Beispiel: die Witwe eines längst vergessenen Politikers von höchstens lokalem Einfluß bietet uns um einen Spottpreis die bleistiftgekritzelten Tagebuchaufzeichnungen aus dessen Jugendtagen. Nach drei Monaten Kreativität kommt das Ergebnis: ,Als unser Bundeskanzler noch so jung war. Ein Augenzeuge berichtet.’ Die Regierungspartei übernimmt die Patenschaft. Der Verkaufserfolg ist gigantisch."

Der Interviewer ringt um Fragewörter: Es kommen keine.

„Oder ein allerletztes Beispiel: sie geraten durch Zufall an die Möglichkeit, einzelne Werke Stifters neu herauszubringen. ,Bunte Steine’ oder ,Hochwald’ oder wie diese auch immer heißen. Unter den Originaltiteln werden sie nichts verkaufen. Die, die Stifter lesen würden, haben den Stifter schon komplett, aber der große Markt der Buchkäufer wartet noch. Da hilft nur die KA; sie kreativiert, setzt Literatur in Marktprodukte um. Unsere Stifter-Serie ,Grüne Geschichten’ mit den beiden ersten Bänden .Makrobiotische Mineralien’ und .Zur Ökologie des Tannenwaldes’ stürmten die Bestseller-Listen".

Der Interviewer gewinnt seine Fassung zurück: ..Ja, aber wenn ‘ die Käufer dann die Bücher lesen, dann merken sie doch… ", er schluckte verlegen, „und Sie haben ja schon die längste Zeit Erfolg mit Ihrer Methode."

„keine Angst, verehrter Herr, die BucHkäufer lesen die Bücher nicht. Sie können es.ja kaum noch. Das haben doch die Wissenschaftler längst festgestellt - und ich habe seit jeher keine Zweifel an den Erkenntnissen unserer Wissenschaftler. Sie etwa?!"

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung