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Moderne Inquisition

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Sie wollten mich auf den heißen Stuhl setzen! Das ist nicht ein „Elektrischer Stuhl”, sondern das Folterinstrument eines deutschen Senders, auf den sie Weibln und Mandln setzen, die sie - schlicht gesagt - fertig machen wollen, was ihnen meistens auch gelingt. Noch immer finden sich popularitätsgeile Leute, die sich in der Art der Hetztheater der Biedermeierzeit öffentlich zerreißen lassen, wie wenn man (in meinem Gewerbe zum Beispiel) nicht genug daran hätte, verrissen zu werden.

Also, sie wollten mich dort haben und zu dem Thema „Deutsche und Österreicher” befragen. 6:1. Sechs Frager und ich als der Fra-genbeantworter. Ich hatte für ein paar Minuten das Gefühl, es machen zu sollen, kann ich dem p.t. Publikum des befreundeten Nachbarstaates doch die Unterschiede zwischen uns erklären, ihnen sagen, daß wir eine selbstbewußte, eigenständige Nation sind und es ablehnen, als der oft belächelte „kleine Bruder” apostrophiert zu werden; daß wir das andere, saubere Deutsch sprechen und trotzdem nicht - die Schweizer reden auch Deutsch und wollen nicht als Deutsche eingestuft werden. Oder? Das hat nichts mit Ablehnung zu tun, nur - wir haben eine eigene (andere) Geschichte, eine doch andere Kultur und eine andere Weltanschauung. Nur etwa 20 Prozent unseres Volkes hängt der mühselig zusammengezimmerten Blut- und Boden-Philosophie an - die anderen wissen zu sehr um die in ihnen zusammengeflossenen Blute, wissen alles über ihre Familiennamen und kennen die Geschichte.

Respektierter Ausländer

Alles das hätte ich den Freunden in Deutschland gern gesagt, aber nicht als Opfer einer Inquisitionsgruppe von Verhör-Spezialisten. Noch was war's. Wenn ich da hingehe bin ich doch ein Ausländer. (Gern sogar.) Und Ausländer sind dort doch ziemlich bedroht. Ich mag aber nicht bedroht sein - ich will ruhig und in Sicherheit schlafen. „Aber Sie, als Österreicher gelten doch bei uns nicht als Ausländer”, sagte ein freundlicher Fernsehmensch, darauf ich: „Ich will aber als Ausländer gelten, so wie ich in Frankreich einer bin, in England und Italien und Sie in Österreicher. Ein Ausländer, den man respektiert und in aller Freundschaft (von mir aus in europäischer Einigkeit) empfängt. Und dem man es nicht verübelt, daß er sich mit anderen Ausländern, die in diesen Ländern leben, solidarisiert und es verabscheut, wenn man sie bedroht, anbrandelt oder gar ermordet! Ich will ein Ausländer sein wie ein Kurde, ein Türke, ein Russe oder Araber, will ein Ausländer sein, wie Sie, Herr Redakteur, ein Ausländer in Österreich sind - gern gesehen, gern verwöhnt und gern wieder - verabschiedet und zwar mit einem Auf Wiedersehen.”

Aus dem Hörer kam keine Antwort, ich hörte nur das Knacken, das anzeigt, daß die Leitung unterbrochen ist. Hat er stumm aufgehängt oder ist er sofort zum Flugplatz gebraust, um hierher zu kommen - meiner Einladung folgend?

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