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Nachspieltheater

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Nun sind bereits die ersten drei Monate der laufenden Spielzeit vergangen, aber stärkere Eindrücke waren im Sprechtheater von den Stücken her nicht festzustellen. Den Wiener Bühnen fehlt nach wie vor die Initiative, es sind Nachspielbühnen, man führt vor, wofür sich andere eingesetzt haben. Markante Theaterereignisse gibt es leider nur außerhalb der österreichischen Grenzen. Uraufgeführt wurden lediglich ein abendfüllendes Stück und ein Einakter, ein Schauspiel gelangte zur deutschsprachigen Erstaufführung, alles reichlich schwache Bühnenwerke. Man muß sich fast stets mit schaupielerischen Impressionen begnügnen. So auch bei den letzten Premieren einer Groß- und einer Kleinbühne.

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Nun sind bereits die ersten drei Monate der laufenden Spielzeit vergangen, aber stärkere Eindrücke waren im Sprechtheater von den Stücken her nicht festzustellen. Den Wiener Bühnen fehlt nach wie vor die Initiative, es sind Nachspielbühnen, man führt vor, wofür sich andere eingesetzt haben. Markante Theaterereignisse gibt es leider nur außerhalb der österreichischen Grenzen. Uraufgeführt wurden lediglich ein abendfüllendes Stück und ein Einakter, ein Schauspiel gelangte zur deutschsprachigen Erstaufführung, alles reichlich schwache Bühnenwerke. Man muß sich fast stets mit schaupielerischen Impressionen begnügnen. So auch bei den letzten Premieren einer Groß- und einer Kleinbühne.

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Zwei Gründe mögen das Theater in der Josefstadt bewogen haben, die reichlich sorglos geschriebene Komödie „Mein Vater hatte recht“ von Sacha Guitry wiederaufzuführen. Vor allem gibt es da zwei Doppelrolleii: Ėin 72jährtger Großvater Adolphe und, in den nächsten Akten, sein 50jähriger Sohn Charles, wie auch der junge Charles und dann sein Sohn Maurice, werden von den gleichen Darstellern verkörpert. Das reizt Schauspieler. In der „Josefstadt“ will man ja vor allem Schauspielertheater vorführen. Hiezu kommt, daß der alte Adolphe und der 50jährige Charles — Generationsgegensätze gibt es nicht — mit Behagen ihre Grundsätze egoistisch-genießerischer Lebensführung und Lebensfreude verkünden. Dieser Hedonismus der Belle Epoque sagt so manchem Zuschauer überaus zu. Nur Hedonismus? Charles kümmert sich sehr um seinen Sohn, zweifellos deshalb, weil derlei dem Publikum erst recht gefällt.

Einzig diese Doppelrolle trägt den Abend. An dem Charme und der Selbstgefälligkeit, mit der Adolphe und Charles ihre Ansichten vortragen, merkt man, daß der Tausendsassa Sache Guitry sich hier weitgehend als Privatmann selbst gezeichnet hat, der stets ebenso faszinierte wie der Autor von 125 Boulevardkomödien, der Gestalter von 30 Filmen und der Schauspieler. Unter der Regie von Friedrich Kallina spielt O. E. Hasse mit überlegener Verve den Zweiundsiebzigund den Fünfzigjährigen. Die anderen Darsteller reichen an seine Potenz nicht heran. Monika Zallinger entwarf einen besonders vornehmen, für jene Zeit kennzeichnenden Wohnraum.

Die neue Arbeitsgruppe „Theater der Courage“ unter der Leitung von Stella Kadmon scheint fasziniert zu sein von jenen jüngeren bundesdeutschen Dramatikern, die lediglich billigen Abklatsch-Naturalismus bieten. Diese Autoren begeben sich in die Nachfolge von Marieluise Flei- ßer, im besonderen ihres jedenfalls beachtlicheren Stücks „Pioniere in Ingolstadt“. Das gilt vor allem für Franz Xaver Kroetz und für Rainer Werner Fassbinder. Jochen Ziem ging in einer seiner Szenenfolgen so weit, Tonbandaufnahmen des Alltags zu Dialogmontagen zu verwenden.

In dem Stück „Die Versöhnung“ führt Ziem die gleiche Familie vor,

die wir aus seinem Schauspiel „Die Einladung“ kennen, nur befinden sich Eltern und Sohn Achim nun nicht mehr in der DDR, sondern — wie gelang dies? — in Westdeutschland. Die Szenen werden zu einer Abrechnung mit den jungen Revoluzzern, die nur Krach machen und mit jener Situation der Frau, die weiblicherseits als Unterdrückung empfunden wird.

Achim revoltiert nach APO-Art, nimmt das Maul voll, greift rüde alles, auch seine Familie an, ohne dabei Konkretes vorzubringen, was dem flegelhaften Kerl, nicht recht begreiflich, niemand vorwirft, doch weist ihm seine Schwester Hänna nach, daß er nur ein Wichtigmacher, ein Schwächling sei, der den Helden spiele. Sein Schwager spricht gegen Radaudemonstrationen und von der Notwendigkeit anderer politischer Methoden, um Zustände zu ändern.

Der Schwager, Hannas Gatte, ist ein durchaus williger, gutmütiger Ehemann. Dennoch verließ sie ihn. Geht es ihr um Emanzipation? Man sagt, dieses Befreiungsstreben werde nicht zuletzt dadurch verhindert, daß die Frau ihre Unterdrückung verinnerliche. Das ist bei Hanna keineswegs der Fall, sie erklärt, sie sei nur die „Hausnutte“ gewesen, sie konnte kein Selbstbewußtsein erreichen, sich nicht selbst finden, die Frau werde immer nur als Objekt betrachtet. Die von den Eltern erstrebte Versöhnung kommt nicht zustande, Hanna will allein weiterleben.

Das ist alles geschickt dialogisiert, aber die Rebellion der Jugend wie ebenso die heutige Frauenemanzipation wurde und wird in zahllosen Zeitungsartikeln behandelt. Wozu sollen wir uns das auf der Bühne anhören, wenn der Autor, wie hier, nicht mehr zu geben hat als das bereits hundertfach Gesagte.

Die treffliche Aufführung steht unter der Doppelregie von Werner Prinz und Wolfgang Quetes, wobei vor allem Ruth Pirron in ihrer norddeutsch wirkenden Sachlichkeit als Hanna beeindruckt. Dieter Berner ist durchaus ein hitzig aufrührerischer Achim. Hans-Henning Heers als Gatte, Karl Augustin und Steffi Thaller als Eltern überzeugen in den weiteren Rollen. Abermals ein Dqp- pel, das der Bühnenbildner Gerhard Janda und Rüdiger Reichel. Sie entwarfen einen Wohnraum mit unnötigen hölzernen Stützen und Balken.

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