7055666-1991_16_24.jpg
Digital In Arbeit

Nächtliche Ruhestörung

Werbung
Werbung
Werbung

In der Pospischilgasse, in dem Haus, wo ich wohne, gibt es ein Beisl von schlechtem und lautem Ruf, das Po-spischilstüberl. Die Musikbox dröhnt im Frühjahr, Sommer und Herbst durch die offene Tür, damit der ganze Bezirk etwas davon hat, im Winter dringt sie nur durch die Wände. Letztere wackeln, die Möbeln tanzen und meine Nerven kündigen mir.

Einmal habe ich die Polizei gebeten, eine Lärmpegelmessung in meiner Wohnung vorzunehmen. Eine Funkstreife ist mit großem Tatü-tatü-Aufwand vor dem Haus vorgefahren, um die Ruhe wieder herzustellen. Die Fachleute sind mit äußerster Diskretion zu mir in den ersten Stock hinaufmarschiert - plötzlich war es unten so still wie im Wald, wo die sterbenden Bäume nicht einmal mehr Kraft zum Rascheln ihrer Blätter aufbringen können.

Der Pegel pendelte sich bei einer Phonzahl ein, die kaum der Rede wert war. (Sie wissen, Lärm wird in Phon gemessen, daher die WörterTelephon, Diktaphon oderMontafon.) Die Lärmmesser zogen wieder ab, die Funkstreife entfernte sich unter dem Höllenlärm ihrer Alarmsignale, im Po-spischilstüberl gab es offenbar Entwarnung, und die Musikbox feierte fröhliche Urständ'. Ich habe bis heute keine Ahnung, wer die im Stüberl gewarnt haben konnte...

Eines abends wollte ich früh zu Bett. Ich hätte den Schlaf gebraucht, aber:

Unter meinem Fenster ließ einer mit voller Lautstärke das Autoradio laufen. Gut, beruhigte ich mich, wenigstens ist die Musikbox nicht zu hören. Doch ich irrte. Es war ein musikalisches Wettrennen, wie im Prater. Der Betrunkene, der zu johlen begann, störte nicht lange; er hörte auf, als ich ihm einen Eimer Wasser über den Kopf schüttete.

Ich begann mich an den Wettstreit der Musikdarbietungen zu gewöhnen; das Geknatter der Motorräder, das Quietschen der Straßenbahn hörte ich kaum noch, ich schreckte erst wieder auf, als zwei Autos an der'Ecke zusammenstießen. Dann brauste noch ein Flugzeug im Tiefflug über mich hinweg.

In einer Großstadt darfst du dich über nichts wundem, so dachte ich, sie planen eine Landepiste in der Pospischilgasse. Weshalb würden sie sonst in nächtlicher Arbeit die Straße mit einem Preßlufthammer aufreißen? Dies war nämlich der nächste Programmpunkt.

Ich gab meine Bemühungen um den Schlaf auf, stieg aus dem Bett, schlüpfte in meine Pantoffel und begann verzweifelt in meinem Schlafzimmer auf und ab zu gehen.

Fünf Minuten später klingelte es. Ein mürrischer Mensch im Nachthemd stand vor der Tür, mein Nachbar, der unter mir wohnt. Ohne zu grüßen, pfauchte er mich an: „Meine Geduld ist am Ende! Wenn Sie nicht unverzüglich mit diesem Auf- und Abgehen in ihrem Zimmer aufhören, zeige ich Sie wegen nächtlicher Ruhestörung an!"

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung