6912587-1981_14_08.jpg
Digital In Arbeit

Neue Impulse für den Gottesdienst aus Linz

19451960198020002020

Vor kurzem berichtete die Furche (Nr. 10) über die in Linz eröffnete A usstellung „Christusbild im 20. Jahrhundert”. Im vorliegenden Beitrag berichtet der Chefredakteur der Linzer Kirchenzeitung von einer Eucharistiefeier in der Neuen Galerie.

19451960198020002020

Vor kurzem berichtete die Furche (Nr. 10) über die in Linz eröffnete A usstellung „Christusbild im 20. Jahrhundert”. Im vorliegenden Beitrag berichtet der Chefredakteur der Linzer Kirchenzeitung von einer Eucharistiefeier in der Neuen Galerie.

Werbung
Werbung
Werbung

Christusbilder haben ihre Dynamik. Der Katholische Akademikerverband der Diözese Linz - Mitinitiator dieser über die Grenzen Österreichs hinaus bedeutsam gewordenen Ausstellung - wollte nicht nur mit Werken von Künstlern bekannt machen, sondern auch Künstler selbst einladen, damit sie in einer Art Selbstdarstellung ein persönliches Christusbild zu demonstrieren versuchen.

Dazu wurde die Eucharistiefeier im Rahmen des 6. oberösterreichischen Künstlersonntags schlicht und einfach in die Räume der Neuen Galerie verlegt.

Die Ausstellung sollte den Versammlungsraum gottesdienstlich ausstatten und den Künstlern im Sinne der plena actuosa participatio ein unmittelbares Mitspracherecht in der Liturgie geben.

Bischof Dr. Alois Wagner formulierte dieses Anliegen so: „Den Künstlern verdanken wir die vielen Christusbilder, die im Wort und Bild, in der Skulptur und in der Musik die Botschaft des Lebens wiedergeben. Wir dürfen aber nicht übersehen, daß wir selbst auch ein Christusbild für den Mitmenschen zeichnen.

Wenn uns Christen der Mitmensch sieht und hört und begegnet und erfährt, daß wir Christen sind, dann wird ihm durch unser Dasein ein Christusbild vorgezeichnet...

Möge es ein Bild sein, das unseren Mitmenschen erfaßt und zu Jesus hinführt. Und möge es den Künstlern gelingen, die’Menschen durch ihre Kunstwerke zu erhellen, so daß sie sagen: Herr, bei dir ist gut sein.“

Linz hatte als Stadt der elektronischen Musik eine gewisse Verpflichtung. Fridolin Dallinger ließ sich zu einer „missa electronica" inspirieren - für Chor und Musik-Computer. Herbert Saxingers Aufgabe war es, seinen Linzer Kammerchor an diese Art von Orchester zu binden. Die Befürchtung, sich einer „Ohrenwäsche“ unterziehen zu müssen, blieb aus.

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Matthäus 18,20 wurde nicht zitiert, aber es geschah. Die Gemeinde versammelte sich; jeder war mit „seinem Christus“ gekommen: dem Christus der Taufe, der Mutter, des Va-

ters, des Pfarrers; mit dem zurechtgepredigten, definierten, durch den Kitsch und die Rührseligkeit gezogenen Christus.

Da brachten auch Beckmann, Klee, Kubin, Lehmbruck, Kokoschka ihren Christus ins Bild. Der Christus ihrer Hoffnung und ihres Zweifels und ihrer Erfahrung. „Dieser Christus ist die Mitte“, sagte der Zelebrant nach der Begrüßung.

Es stört mich ein wenig, daß das Kyrie zum Begleitgesang für ein persönliches, stilles Sündenbekenntnis gemacht wurde. Das Kyrie ist in seinem Ursprung nicht ein Sünden-, sondern ein Christusbekenntnis: Begegnung mit dem österlichen Kyrios, den wir anrufen, weil wir noch den Kelch dieses Lebens zu trinken haben.

Ein nachkonziliares Dokument empfiehlt die Adaptation der Texte. Bischof Wagner tat es bei der Oration. Viele, zu viele tun es nicht.

Im Blick auf die Ausstellung und als Kontrast zum Evangelium von der Verklärung Jesu wurde als Lesung das „Schicksal des Gottesknechtes“ (Jesaja) gewählt. Nolde, Schmidt, Manes- sier und andere Künstler boten ihre Bilder für das von der Elektronischen Orgel begleitete Antwortlied an.

Bei der Predigt über Jesus den Bruder, den Propheten und Sohn Gottes kamen mit dem Bischof auch Hrdlicka, Chagall, Gütersloh zu Wort. Der Streit, ob Bildprojektion im Gottesdienst ihren Platz hat, wurde hier positiv entschieden. Man sollte sich um einige Grundsätze über das Wie einigen.

Gütersloh, Bischof (der Künstler), Rouault illustrierten das „Et incarna- tus est“. Agressiv bis lieblich, einstimmig bis vierstimmig die einzelnen Teile des Kredos. Tiefe, Freiheit, Verhältnis von Kunst und Kirche und Sorge über den Zugriff der Mächtigen auch in der Kunst bildeten die Anliegen in den Fürbitten.

Nach dem Anspruch, der beim Wortgottesdienst an die Gemeinde gestellt worden war, tat die „Pause“ zur Gabenbereitung gut. Der Zelebrant sprach die Texte über Brot und Wein. Sonst Stille, kein Bild, keine Musik. Bravo.

Das Sanktus der „missa electronica“ begleiteten wieder Bilder der Ausstellung. Ein Sprecher kommentierte die

Bilder; gut gemeint, aber falsch am Platz. Das Sanktus steht für sich.

Das gemeinsam gesprochene „Vater unser“ war der Auftakt für das Handeln der Gemeinde zum Friedensgruß, zur Kommunion: Frieden, Versöhnung, Gemeinschaft. Bewegung nicht nur im Raum. Bischof, Konzelebranten, Gemeindemitglieder gingen aufeinander zu. . .

Versöhnung wurde live ausgestrahlt: Versöhnung unter den Teilnehmern in den Ausstellungsräumen und für die Teilnehmer an den Fernsehschirmen; Versöhnung mit den Dingen, mit Gott, den Christusbildern des 20. Jahrhunderts, mit dem Choral und der Computer-Musik, mit dem Vergangenen und

dem Neuen, das in vielen Formen auf uns zukommen wird, bis endlich Ostern ist.

„Künstler haben sich von Jesus faszinieren lassen; von der Kirche wollen sie sich aber dennoch nicht vereinnahmen lassen.“ Das sagte der Linzer Hochschulprofessor Günter Rombold bei der Pressekonferenz zur Ausstellung.

Damit waren indirekt auch die Bedingungen für die Teilnahme am Gottesdienst angesprochen: Künstler leben in der Auseinandersetzung, ringen im Dialog; Monolog und Belprung sind ihnen zuwider. Liturgie dann, wenn sie mit einem Atelier zu tun hat, wo Christen um ihr Menschenbild ringen und dazu Christus brauchen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung