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Pluralismus ist schwer

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Die Jugend und die Kirche, die Jugend in der Kirche - ein unerschöpflicher Problemkreis, der immer wieder neue Nahrung bekommt, am spektakulärsten wohl jüngst bei der Rede der deutschen Jugendführerin Barbara Engl in München, die gegenüber Papst Johannes Paul 11. die kritische Haltung der Jugend gegenüber der von Rom vertretenen Sexualmoral zum Ausdruck brachte.

In Österreich erhielt das Problem im Sommer neue Nahrung, als der Unterricht am „Seminar für kirchliche Berufe" in Wien-Ober St. Veit für ein Jahr ausgesetzt wurde. Zugleich wurde fast der gesamte Lehrkörper gekündigt und den Schülern ein Jahr Praktikum in Pfarren ihrer Heimatdiözese vorgeschrieben. Im Seminar selbst soll erst im Schuljahr 1981/82 wieder unterrichtet werden.

Diese Beschlüsse über das Seminar, ein Institut der Bischofskonferenz mit öffentlichkeitsrecht, das aus einer zweijährigen Jugendleiterschule und einem darauf (oder einer adäquaten theologischen Vorbildung) aufbauenden pa-storalkatechetischen Lehrgang besteht, haben einiges böses Blut gemacht.

Alle Betroffenen, Lehrer, Schüler und Kuratorium (der Aufsichtsrat der Schule, der unter dem Vorsitz des Grazer Bischofs Johann Weber aus Vertretern aller Diözesen, des Dachverbandes der Pastoralassistenten und des Katholischen Jugendwerkes besteht), sind sich einig, daß es mit dem Seminar von Anfang an Probleme gegeben hat.

Waren im ehemaligen Seminar für kirchliche Frauenberufe Pfarrschwestern ausgebildet worden, so kam mit der Umstellung erstens „das Berufsbild ins Flattern" (Bischof Weber), zweitens trat das Problem Sexualität durch das gemeinsame Wohnen von Burschen und Mädchen auf.

Darüber hinaus hegte das Kuratorium zunehmende Zweifel an der Spiritualität („Kirchlichkeit") der Schüler, konnte ihnen aber im letzten Jahr auch keinen eigenen Spiritual mehr zur Verfügung stellen.

Unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Seminarleitung zu diesen Problemen und zur Frage von mehr oder weniger Demokratisierung im Seminarbetrieb überhaupt trieben dann das Kuratorium zum Handeln. Bischof Weber hält daran fest, daß ein Auswechseln der ganzen Leitung richtig war, „sonst hätte es nur mehr Sieger und Besiegte gegeben".

Stand bereits im Februar 1980 das Ausscheiden des alten Leitungsteams fest, so schien bis Juni der neue Seminarleiter in der Person des Regensburger Theologen Dr. Josef Ruf gefunden. Dann aber sagte Ruf im letzten Moment ab, und Bischof Weber konnte erst Ende Juni den steirischen Diakon Mag. Johann Ranz als Seminarleiter gewinnen.

In dieser Situation stand das Kuratorium - so Franz Steinkellner, bis dahin Jugendwerkvertreter im Kuratorium -vor folgender Entscheidung: Sollte Ranz, der dazu ungern, aber notfalls bereit gewesen wäre, sofort unvorbereitet den normalen Betrieb übernehmen? Oder sollte man ein Jahr aussetzen, um Gelegenheit zu einer grundlegenden Reform dazu zu haben, das in einigen Diözesen geschwundene Vertrauen in das Seminar wiederherzustellen? Letzteres sei den Kuratoren - wenn auch mit Härten verbunden - als das kleinere Übel erschienen.

Dem alten Lehrkörper und vielen Schülern erschien es, eben erst in die Ferien entlassen, als das größere Übel. Lehrervertreter Gerhard Pawlowsky sagt noch heute: „Diese Beschlußfassung war menschenunwürdig und in der Kirche nicht vertretbar."

Die Schüler mußten zur Kenntnis nehmen, daß das vom Schulerhalter zwar angekündigte, aber nicht so bald erwartete vierte Ausbildungsjahr in Form eines Praktikums Wirklichkeit geworden war.

Bischof Weber betont, daß trotz der Kündigung der Lehrer niemand sozial geschädigt worden sei, denn die meisten Lehrer hatten nur wenige Stunden Lehrverpflichtung am Seminar, in Härtefällen sei geholfen worden. Unter den Schülern herrsche mit ganz wenigen Ausnahmen durchaus gute Stimmung, „alles andere stimmt nicht" (Weber).

Die Schülerin Maria Leidinger, derzeit im Praktikum in einer Wiener Pfarre, hat folgende Zukunftswünsche: „Am allerwichtigsten ist, daß die Ausbildung bestehen bleibt. Bleibt es bei einer Weiterführung als Internat, sollte ein ständiger Spiritual da sein. Außerdem wünsche ich mir, daß sich der neue Seminarleiter mit dem Kuratorium versteht, und daß sich Kuratorium und Schüler mehr miteinander beschäftigen."

Dem neuen Leiter, Mag. Ranz, trauen alle, die ihn kennengelernt haben, zu, die Krise zu meistern. (Die FURCHE wird über seine Pläne und die weitere Entwicklung demnächst berichten).

Schüler und ehemalige Lehrer weisen auf die Qualität der Schule hin (die wesentlich unumstrittener scheint als die Führung als Internat und die damit verbundenen Probleme) und hoffen, daß Platz für Pluralismus bleibt. Dazu Bischof Weber:

„Niemand denkt an eine friderizia-nische Kadettenschule, eine gewisse Bandbreite wird es immer geben, aber die Kirche muß schon genau darauf achten, wer schließlich in ihrem Namen als Jugendleiter oder Pastoralassistent auftritt."

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