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Reform der Medizin

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Das historische, wie das legendäre Bild des „Volkskaisers” fand in dessen Fürsorge für die Kranken, die Armen und Hilfsbedürftigen eine besonders konkrete Ausprägung.

Der Kaiser begnügte sich nicht damit, Anregungen und Befehle zu geben, sondern er griff wiederholte Male persönlich in die Realisierung des von ihm gewünschten Werkes ein.

Nichts zeigt dies deutlicher als z. B. das Kaiserliche Handschreiben vom 3. Februar 1783 an die Kommission, der die Lösung der Vorfragen zur Liquidierung der kleinen Spitäler vor der Einrichtung des Allgemeinen Krankenhauses, aufgetragen war. Die Kommission hat offenbar der „Ungeduld seines Herzens”, wie sich Theodor Puschmann ausdrückte, nicht entsprochen und bekam Rüge auf Rüge. Das Wiener Allgemeine Krankenhaus konnte dann im August 1784 tatsächlich eröffnet werden.

Der Kaiser selbst verfügte unter anderem, daß „kein Mensch von was immer für Nation oder Religion er auch sein mag, vom Eintritt ins Allgemeine Krankenhaus ausgeschlossen werde.” Die Anstalt besaß außerdem Krankenhaus ein Gebärhaus, eine Irrenanstalt, ein Findelhaus und Siechenhäuser.

Dem Schutz der Ungeborenen dienten die Aufnahmebedingungen in das Gebärhaus. Jede zur Geburt heranstehende Schwangere wurde - wenn sie es wünschte - anonym aufgenommen, ja sie konnte vermummt und mit Maske kommen, nur ein versiegeltes Couvert mit ihrem Namen mußte sie bei sich tragen, damit im Todesfalle ihre Identität festgestellt werden könnte. Bei ihrer Entlassung aber erhielt sie das Couvert verschlossen wieder zurück. Das Gebärhaus durfte außerdem von niemandem als den zur Niederkunft eintretenden werdenden Müttern besucht werden.

Neben seiner Gründung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses brachte Joseph II. einen für die Zukunft der Heilkunde wesentlichen Fortschritt: die Vereinigung der bisher fremd nebeneinander wirkenden Heilspersonen: der Ärzte und der Chirurgen. Die letzten gehörten einem niedrigeren Stand an und waren wissenschaftlich nur sehr mangelhaft für ihren Beruf vorbereitet.

Joseph II. schuf den Dr. chirurgiae, hob damit das Ansehen, vor allem aber die Bildung der Chirurgen. In der 1785 von ihm gegründeten Akademie zur Heranbildung von Militärärzten fand sein Konzept eine glückliche Realisierung. Durch den Studienplan von 1786 waren die Studierenden der Medizin denen der Chirurgie überhaupt gleichgestellt.

Im Waisenhaus leitete der selbst nicht gesunde und nach dem Tode seiner ersten Frau und seines einzigen Kindes vereinsamte Monarch wiederholt selbst die Erziehung der Kinder. Ferner forderte er die Überwachung der in Fabriken arbeitenden Kinder durch die Kreisärzte.

Die Verbesserung der städtischen Hygiene durch Anlegung von Alleen geht auf ihn zurück, wie Austrocknung und Verschüttung der Moraste im Wiener Prater und Augarten. Auch die Verordnung, die Friedhöfe außerhalb der Stadt anzulegen, geht auf Joseph II. zurück.

Im Großen, wie im Kleinen war er bemüht, allen Menschen, die dessen bedurften, zu helfen.

Der Autor ist praktizierender Facharzt für innere Medizin und seit 1975 Univ.-Doz. für Geschichte der Medizin.

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