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Rückblick in Wehmut

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Der Attache, der uns aus dieser Novelle entgegentritt, ist inzwischen schon lange Botschafter — Botschafter beim Heiligen Stuhl sogar. Erinnerungen an ferne Jugendtage, in denen er als junger Diplomat vor dreißig Jahren der österreichischen Gesandtschaft in Budapest zum Dienst zugeteilt war, mögen ihn zur Verfassung dieser elegischen Novelle inspiriert und zur Veröffentlichung derselben ermuntert haben.

Persönliche Erlebnisse, aufmerksame Beobachtungen der damaligen Atmosphäre der österreichischen Bürokratie und mancher ihrer Repräsentanten sowie die Kenntnis der Budapester Szene in der spätstalinistischen Epoche sind dabei ohne Zweifel mit der Phantasie eine Symbiose eingegangen. Das Ergebnis ist die Geschichte des jungen Attaches Erich Sternberg, der nach einigen Eskapaden in Paris nach Budapest gleichsam strafversetzt wurde. Dabei begegnet er nicht nur skurrilen Originalen von Vorgesetzten und Kollegen, Glücksrittern zwischen West und Ost, storyhungrigen Journalisten, son-

dem auch der Tänzerin Erzsebet Bertalanffy, die er einem etwas grobgestrickten Kollegen „ausspannt“. Eine große Liebe nimmt ihren Anfang.

Es wäre keine österreichische Novelle, wenn ihr ein Happy-End beschieden sein sollte. Dafür sorgen schon die Ereignisse der Ungarischen Revolution 1956 mit ihren vielen bekannten und noch mehr unbekannten menschlichen Tragödien. Was bleibt, ist jene „wilde Schwermut“, die nach Ernst Jünger den Menschen „bei der Erinnerung an Zeiten des Glücks' ergreift“.

Wahrhaftig: Eine österreichisch-ungarische Novelle, die in der Tradition großer Vorbilder steht, ohne auch nur den Versuch zu machen, diese zu kopieren.

Wer Botschafter Hans Pasch persönlich kennt — auch wenn er ihm freundschaftlich verbunden ist — wird durch das-Erstlingswerk des bald sechzigjährigen Diplomaten überrascht. Diesen Hans Pasch hat bis jetzt noch keiner gekannt. Locker, völlig „undiplomatisch“ weiß er zu erzählen. Poesie stellt sich ein, Ironie blitzt

auf. Sentimentalität wird auch dann vermieden, wenn tiefere Regionen menschlicher Beziehungen ausgelotet werden. Daneben machen wir Bekanntschaft mit einzelnen Typen des Auswärtigen Dienstes und dem Stil des Amtes: alle und alles stets liebenswürdig persifliert. Der Kenner der Szene glaubt, bei dieser oder jener „Person der Handlung“ bestimmte Züge und Eigenschaften zu erkennen, bevor sich über diese wieder der Schleier der Anonymität senkt.

Eine Novelle — nichts mehr und nichts weniger. Möge keiner an Hans Pasch' Fabulierfreude Anstoß nehmen.

Die Frage bleibt offen, ob das vorliegende Buch der einmalige Ausritt eines Diplomaten in literarische Gefilde darstellt, oder ob man noch weitere erwarten dürfe. Der Rezensent möchte dies sich und anderen wünschen in der Hoffnung auf die gleiche erfreuliche Lektüre.

DER ATTACHE. Von Hans Pasch. Eine österreichisch-ungarische Novelle. Amal-thea Verlag. Wien. 1986.216 Seiten, öS 168,-.

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