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Russisch und deutsch

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Die Ballettkoryphäen des Bolschoi Tjatr haben wir schon vor Jahren kennengelemt; seine Gesangssolisten kamen erst jetzt zu uns. Von ihnen ist Galina Wischnewskaja nicht nur die prominenteste, sondern auch die interessanteste und liebenswürdigste. Die gebürtige Leningra- derin wurde bereits 1953 Mitglied des Opemchores und debütierte bald darauf als Tatjana und als Liedersängerin. Benjamin Britten, Claude Rostand und Schostakowitsch haben ihr Kompositionen gewidmet.

Ihr dunkelgetönter Sopran ist besonders in tieferer Lage von orphi- scher Schönheit. Programm und Stil des Vortrages waren sehr typisch. Zu dem gefühlvollen Ausdruck paßt das starke Vibrato dieser ungewöhnlich sonoren Stimme. Die sieben ausgewählten Lieder von Tschaikowsky sind eigentlich Romanzen von lyrisch-dramatischem Charakter. Die vorherrschende Stimmung ist die elegische. Texte und Musik sind der Salonkunst benachbart, wie sie etwa auch Grieg und Paurė pflegten. Hierauf folgten zwei Stücke von Stra- winsky: das aus der frühen russischen Periode stammende Lied „Frühling im Kloster“ und eine folk- loristisch gefärbte Arie aus der Oper „Mawra“ (1921—22). Zum Abschluß sang Galina Wischnewskaja die „Lieder und Tänze des Todes“, welche Mussorgsky ursprünglich für Baßbariton geschrieben hat.

Das Gesicht dieser eleganten und anmutigen Sängerin ist sehr wandlungsfähig: es wechselt von dem einer Tragödin zu dem eines Mädchens vom Land oder zu dem der großen Diva. Ihre Ausdrucksgesten sind spontan und konventionell zugleich; sie sind mehr beseelt als raffiniert. Mit zwei Zugaben dankte sie für den überaus h erzlichen Applaus.

Am Steinway-Flügel wurde sie von ihrem Mann Mstislaw Rostropo- witsch begleitet, der nicht nur ein weltberühmter Cellist und als solcher ein bedeutender Förderer der neuen Musik ist, sondern auch ein sattelfester Dirigent, überdies Komponist, Doktor der Musikwissenschaft und Professor am Moskauer Konservatorium. Das ganze Programm auswendig spielend, mit nichts anderem als einem Zettelchen bewaffnet, erwies sich Rostropo- witsch als idealer Begleiter: einfühlsam und hochmusikalisch. Es war — im Großen Musikvereinssaal — ein großer Abend russischer Kunst und eine Dokumentation der „russischen Seele“ in ihren verschiedenen Aspekten.

Edda Moser, in Berlin als Tochter des bekannten Musikologen Hans

Joachim Moser geboren, hat in den letzten Jahren als Opemsängerin eine Weltkarriere gemacht. Als Liedinterpretin hörten wir sie zum erstenmal. Bei ihrem gemeinsam mit

Prof. Erik Werba im Brahms-Saal gegebenen Liederabend hat sie es sich nicht leicht gemacht.

Nach fünf Liedern von Hans Pfitzner, darunter das besonders charakteristische „An die Mark“, folgten sechs Lieder nach Gedichten von Brentano von Richard Strauss, ein vor allem wegen seiner enormen technischen Anforderungen selten aufgeführter Zyklus. Hans Werner Henzes „Kantate“ nach einem Gedicht von Walt Whitman ist ursprünglich auf den englischen Originaltext geschrieben und sieht für die Begleitung einige Streicher und ein größeres Schlagwerkensemble vor. Dem schattenhaften Text (von der Wanderung in ein unbekanntes Reich, wo keine Stimme erklingt, keine Hand uns berührt, kein Gesicht mit blühendem Fleisch zu finden ist) entspricht die komplizierte, aber sehr atmosphärische Musik, die Erik Werba mit großer Einfühlung vortrug. — Ein siebenteiliger Zyklus aus Hugo Wolfs „Italienischem Liederbuch“ beschloß den künstlerisch hochwertigen Abend.

Edda Moser besitzt eine allerbe- stens ausgebildete Sopranstimme, die besonders in der mittleren und tiefen Lage an Fülle gewinnt. Sie hat auch den nötigen Emst und die Intelligenz, die eine Liedersängerin braucht, und sie versteht es glänzend, die verschiedenartigsten Sachen zu „servieren“. Hier kommen ihr die Erfahrungen der Opernsängerin sehr zustatten. Uber die musikalische Substanz der Strauss-Lie- der mögen die Meinungen auseinandergehen — ihre Schwierigkeiten sind legitim. Die Sängerin und ihr Begleiter wurden von einem sehr aufmerksamen und sachverständigen Publikum lebhaft gefeiert. Mehrere Zugaben.

„Steirischer Herbst“ begann mit Penderecki

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