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Lieder und Kammermusik auf neuen Schallplatten

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Helle, Durchsichtigkeit, Zartheit und Sparsamkeit der Mittel sind, nach den Worten des ausgezeichneten jüngsten Hugo-Wolf-Biographen Frank Walter, die besonderen Qualitäten des „Italienischen Liederbuches“. Die 46 Stücke wurden größtenteils in der zweiten Hälfte de Jahres 1890 niedergeschrieben, 15 allein im Dezember, 7 stammen aus dem vorhergegangenen Jahr. Die Texte sind italienische „rispetti“, intellektuelle Improvisationen, pöttisch-galant, leidenschaftlich, pointiert, aber von aphoristischer Kürze. Paul Heyses — im übrigen meisterhaften — Nachdichtungen lassen diese Gedichte im Deutschen etwas ernster erscheinen als die Originale; einzelnen gibt Hugo Wolf noch gewichtigere Akzente, so daß die Skala des Gefühls breiter ist als im Italienischen. — Hatte sich Wolf Goethe und Mörike untergeordnet, wie vor oder nach ihm kein anderer uns bekannter Komponist (siehe die Titelblätter dieser Liedbände!), so erscheint in diesen Liedern Wolf ganz als er selbst. Auch von dem im „Spanischen Liederbuch“ so stark hervortretenden Lokalkolorit ist hier im allgemeinen nicht viel zu merken; hie und da ein Rhythmus, ein Gitarrenklang oder eine kleine Kantilene. Unter deutschen, ja unter den europäischen Komponisten seiner Zeit erweist sich Wolf als der genialste Miniaturist, der den großen Chinesen und Japanern kaum nachsteht. Sein ungewöhnliches Formtalent, das an allem, was seine Hand berührte, abzulesen ist, feiert hier seine größten Triumphe. Ihre Zartheit und Konzentration sowie die besondere Dynamik prädestinieren diese Lieder zur Hausmusik. Aber die Schwierigkeiten des Gesangsparts und der Begleitung werden nur noch von Meistern ihres Faches bewältigt werden können. Wer sich mit dem Hören begnügt — und sich den Kauf leisten kann —, greift daher zur Schallplatte. Irmgard S e e f r i e d und Dietrich Fischer-Dieskau haben von den 46 Liedern der Sammlung je 22 bzw. 16 auf Langspielplatten der „Deutschen Grammophon-Gesellschaft“ gesungen. Die Sängerin wird von Erik W e r b a, der Sänger von Hertha K1 u s t meisterhaft begleitet. Der Frauenstimme sind meist die leichteren, spöttischironischen Stücke zugeordnet, der Männerstimme die ernsteren. Das Lied Nr. 41 („Heut Nacht erhob ich mich“) kann man zweimal hören: in männlicher und weiblicher Interpretation. Die akustisch vorzüglichen, geräuschfreien Platten haben die Nummern 18 192 LPM (Seefried-Werba) und 18 005 LPM (Fischer-Dieskau und Hertha Klust).

Für die Bläser des Frankfurter Opernhauses, wo H i n d e m i t h als Orchestermusiker saß, schrieb er 1922 die „Kammermusik“ op. 24, Nr. 2, in einem gefällig-verbindlichen und zugleich virtuosen Stil. Man bemerkt in dem vorwiegend heiteren Stück nicht nur den Musiker, der fürs Publikum schreibt, sondern auch den Schalk, der sein Publikum so gut wie möglich unterhalten will. Und das gelingt ihm vorzüglich. — Auf der Rückseite der gleichen Platte spielt das gleiche, in jeder Hinsicht fein abgestimmte Ensemble: Haakon Berg. Flöte, Mitchell Lurie, Klarinette, Alexander Duvoir, Oboe, Sinclair Lott, Horn, und Jack Marsh, Basson, das aus derselben Zeit (1923) stammende Sextett für Klavier (Leona Lurie) und Blasinstrumente von Francis Poulenc (geb. 1899). Es handelt ich hier um eine Jugendarbeit des hochtalentierten französischen Komponisten, der besonders während der letzten Jahre durch ernste Kompositionen, auch viel geistliche Musik, hervorgetreten ist. Hier, in dem Sextett, herrschen eitel Uebermut und gute Laune, es wird elegant und mit Gefühl musiziert, aber dem letzteren traut man nicht ganz, es klingt alles ein wenig nach Parodie und Persiflage. Die lustigen Zitate aus bekannten Opernwerken weisen gleichfalls in diese Richtung. — Die „C a p i t o 1“-Langspiel-platte P 82 58 ist ein Wunder an Klangschönheit, Präzision und Deutlichkeit.

Aus dem Sonatenwerk Prokofieffs bringt die „D E C C A“-Langspielplatte LXT 28 36 drei Stücke: die 3. und die 4. Sonate, „D'aprcs des vieux cahierj“, deren Entwürfe bis auf das Jahr 1937 zurückgehen, und die große „Achte“ op. 84 von 1944/45. Man teilt — wenn man diese Werke nacheinander hört — mit einigem Erstaunen fest, daß sieh Prokofieffs Stil in der langen Zeit eigentlich kaum gewandelt hat. Die romantische Grundstimmung, der Al-fresco-Stil, die virtuosen Elemente (Prokofieff war ein gefeierter Pianist), die donnernden Bassostinati, das Folkloristische, einmal mehr russisch, dann wieder mehr orientalisch gefärbt: das war und bleibt für ihn charakteristisch, trotz mehrmaliger Re- und Emigration. — Robert Cornman ist der Interpretist dieser gutklingenden, sonoren Aufnahmen.

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