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Schlaft, Kindlein, schlaft!

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Neulich habe ich im Fernsehen, der Bildungsanstalt, der ich so viele Erkenntnisse verdanke und die an ihrem ORF-0 doch tatsächlich seit ein paar Tagen keinen Depscher mehr hat, in diesem Heimkino also habe ich einen Schlafforscher sprechen gesehen und gehört.

Daß es derlei gibt (ich meine Schlafforscher, nicht daß sie sprechen können), wußte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht, aber jetzt begeistert's mich. Denn das war längst überfällig, daß sich da jemand drum kümmert.

Vor allem aber, und da horchte ich auf, teilte der Mann mit, daß man eigentlich gar nicht wisse, warum der Mensch überhaupt schlafen müsse, und das gelte auch für alle anderen LA-ewesen. Nun halte ich mich keineswegs für repräsentativ, aber ich glaube doch, daß ich es ihm hätte sagen können. Ich darf für mich nämlich in Anspruch nehmen, besonders schlafbegabt zu sein, und morgens bin ich stets über den Sinn des eben absolvierten Schlafs völlig im Bilde. Vermutlich darf ich mich diesbezüglich sogar als Experte ausgeben, da mein Schlafbedürfnis weit über der amtlich anerkannten Norm von acht Stunden liegt und ich mich jeweils erst nach mindestens zehn Stunden ohne widernatürliches Wek-kerläuten beendeter Ruhe als normal ansprechbaren Menschen bezeichnen kann.

Da hat die Umwelt merkwürdigerweise eine Menge dagegen einzuwenden. Parties, Theater, Konzerte und auch nur das Hauptabendprogramm des eingangs zitierten TV zielen darauf ab, die Nacht, wie's im Sprichwort heißt, zum Tag zu machen. (Worauf bezieht sich im Wort Hauptabendprogramm eigentlich „Haupt“? Auf „Abend“? Beginnt der Hauptabend also um zwanzig Uhr fünfzehn, und beginnt der Tag demnach mit dem 03-Wecker, du lieber Himmel?).

Ein achtzehnjähriger Bekannter, den ich seit dieser Zeit als Freund betrachte, hat mir unlängst geklagt, daß unsere Gesellschaft es nicht zulasse, einen anderen Schlafengehen zu lassen, sobald der schläfrig sei, vielmehr habe man sich erbarmungslosen Reglementierungsriten zu beugen, wie etwa: Vor zehn, elf geht man nur dann zu Bett, wenn man krank, über neunzig oder zumindest extrem asozial ist. Nachmittagsschlafe, zumal werktags, sind trotz wissenschaftlich anerkannter Zweckmäßigkeit das Verpönteste, das man sich denken kann (was könnten einsichtige Arbeitgeber an hinaufschnellenden Leistungskurven profitieren, allein sie wollen nicht); und Zuspätkommen wegen Längerschlaiens in der Früh gemahnt in unftrer Sozietät an die Verworfenheit einer brustverweigernden Amme.

Da lobe'ich mir die dafür mustergültigen Hühner, deren Schlaf- und Wachrhythmus mit dem Verschwinden und Wiedererscheinen der Sonne einhergeht, was ihnen alle Tage und besonders den Winter bestimmt erträglicher macht.

Der Mensch, dieses einzige Teilstück der Natur, dessen die Ökologie ohne Mangelerscheinungen entbehren könnte, lebt aber bewußt und zweifellos gesundheitsschädlich schlaf-antizyklisch. Der zitierte Schlafforscher hat das ein bisserl durchklingen lassen, aber was hilft's, er hat es in einer Wissenschaftssendung nach Einbruch der Dunkelheit getan, und da hat das Traummännlein den Kleinhirnen der Verantwortlichen sicherlich längst Gute Nacht gesagt.

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