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Steaks auf dem Meeresgrund

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Im amerikanischen Unterwasserfor- schungsprojekt „Tektite-Programm” wurde auch ein weibliches Team eingesetzt. Zwei Biologinnen, eine Botanikerin, eine Zoologin und eine Elektrotechnikerin mußten genauso wie die Männer zwei Wochen lang fünfzehn Meter unter der Meeresoberfläche in den warmen karibischen Gewässern leben und arbeiten und erfüllten ihre Mission mit größter Präzision. „Das einzige, was Männer besser können als wir”, sagte Sylvia Earle, die Leiterin der Mission, „ist Bärte kriegen”.

Hauptzweck des Projekts, das sich jetzt in seinem zweiten und letzten Jahr befindet, ist es, zu testen, wie abgesonderte Forschungsgruppen auf kleinstem Raum und in ungewohnter Umgebung längere Zeit leben und arbeiten können. Erforscht wird dabei das Verhalten von Astronauten ebenso wie das von Aquanauten oder Aquanautinnen. Dabei wird jedoch vollwertige Forschungsarbeit geleistet, da die Ozeane als Nahrungsund Rohstoffquelle immer mehr Bedeutung gewinnen.

Von den beteiligten acht US-Regie- rungsdienststellen und dreißig Privatinstitutionen erwarteten diejenigen, die sich nicht mit dem Weltraum beschäftigen, mit großer Spannung die Berichte der Unterwasserforscherinnen über Pflarfzen- und Tierökologie, Geologie örtlicher Korallenriffe, vor allem aber über die Auswirkungen der Wasserverschmutzung auf das Meeresleben. Kaum ein Thema findet in den USA bekanntlich im Augenblick größeres Interesse. Die 34jährige Dr. Sylvia Earle, die 23jährige Ann Hartline, die 24jährige Alina Szmant, die 23jährige Peggy Lucas und die 38jährige Renate True trugen bei ihrer Arbeit Atemgerät, Kompaß und Tiefenmesser. Aus Sicherheitsgründen arbeiteten sie immer paarweise, eine blieb zu Hause. Anders als frühere Meeresforscher waren sie keine professionellen Taucherinnen, sondern Wissenschaftierinnen, die zu ihrem Fach auch tauchen gelernt haben. Sylvia Earle ist Mutter von drei Kindern.

Die fünf Damen bezogen für die zwei Wochen unter Wasser zwei Zwillingsstahlzylinder, von denen jeder 5,4 Meter hoch und 3,75 Meter breit war. Ihr Unterwasserheim hatte Hai- und Barracudasichere Türen und Plexiglaskuppeln. Es bestand aus einem „Abtropfreum” über dem Haupteingang und einem technischen Raum darüber, von dem ein Tunnel in den anderen Turm führte, in dem das Labor und ein Wohnraum untergebracht war. Im technischen Zentrum befanden sich die Elektroanlage eine Kühltruhe und die Luftreinigungsgeräte. Das gesamte „künstliche Milieu” wurde ständig kontrolliert, da die Bewohnerinnen drinnen denselben Druckverhältnisse ausgesetzt sein mußten wie im Meer außerhalb ihrer Behausung, nämlich dęm zweieinhalbfachen des Druckes an der Oberfläche.

Der „Abtropfraum” war ständig offen zum Meer, lediglich der Luftdruck hielt das Wasser ab. Als Nebenprodukt der Mondlandungen fand das sogenannte Lebenserhaltungssystem Verwendung, das es den Ozeanforscherinnen ermöglichte, sich bis zu sechs Stunden ohne Wechsel der Atemgeräte im Meer aufzuhalten, sie hatten daher einen ungewöhnlich großen Aktionsradius. Der Sauerstoff wurde durch einen sogenannten „Rebreather” ständig erneuert.

Über Fernsehen beobachteten Wissenschaftler an Land von der nahegelegenen St.-John-Insel, einer der Jungferninseln, aus, was die Forscherinnen taten, was sie sprachen, wie sie arbeiteten und miteinander auskamen. Dabei stellte sich heraus, daß sie die ungewohnten Umstände gut bewältigten. Die Aquanautinnen führten das darauf zurück, daß sie viel zu beschäftigt waren, um zu streiten.

Sie verbrachten einen Großteil des Tages und einen Teil der Nacht auf dem Meeresgrund. Renate True und Sylvia Earle untersuchten Algen und betrieben Verhaltensforschung an Fischen. Sie legten unter anderem Grasnetze aus Plastikmaterial aus, um zu erforschen, ob sich Schnecken und Krabben darin ansiedeln würden. Sie taten es. Ann Hartline und Alina Szmant filmten Fische und testeten deren Fluchtreaktionen. Kamen die Forscherinnen von der Arbeit „heim”, trockneten sie sich nach einem heißen Brausebad im „Abtropfraum” ab. Für ihre persönlichen Bedürfnisse hatten sie ein kombiniertes Schlaf- und Wohnzimmer mit Küche zur Verfügung. Die Verpflegung, beispielsweise gegrilltes Steak, stammte aus der Kühltruhe und brauchte nur aufgewärmt zu werden. Die Elektrotechnikerin Peggy Lucas kontrollierte die Atem- liuft, die Wasser- und Elektrizitätsversorgung und hielt den Kontakt mit der Außenwelt aufrecht.

Das Ende der Mission kam den Forscherinnen angeblich viel zu rasch. In einer an eine Dekompressionskammer angeschlossene Kapsel wurde eine nach der anderen auf ein Boot gehievt, wo sie weitere zwanzig Stunden in einer Druckluftkammer aushaaren mußten, um sich an die Druckverhältnisse an der Meeresoberfläche rückzugewöhnen.

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