7015206-1988_23_24.jpg
Digital In Arbeit

Theater-Leid

Werbung
Werbung
Werbung

Gesprochen ist es im Bayerischen wie im österreichischen nie auseinanderzuhalten: Meint man nun Leid wie Kummer oder Leid wie Leut'? Nur beim Wiener Burgtheater paßt zur Zeit beides: Da haben die Thea-ter-Leut' zur Zeit viel Theater-Leid.

Nun sind wir Bayern ja meist ' nicht so deutschfreundlich wie ihr Österreicher. Aber mit dem reinen ,J?iefke-Effekt“ kommt man im Fall Peymann auch nicht weiter. Mit diesem ,J?reu-ßen-Syndrom“ haben wir in München unsere leidvollen Erfahrungen, seit im letzten Jahrhundert ehrgeizige Bayernkönige durch die Berufung zahlreicher ,JJordlich-ter“ den Unwillen der Lokalpatrioten erregten.

Immerhin haben solche begabten Nordlichter, die zu Hause sonst leicht zur Funsel verkümmert wären, bei uns in Bayern erst richtig zu leuchten begonnen. Aber damit sie entflammt werden, brauchen sie viel Zunder und die richtige Spannung. An beidem scheint es für das Nordlicht Peymann derzeit auch in Wien nicht zu fehlen. Jedenfalls sprüht er von Zeit zu ,Zeit“ nicht bloß Funken, sondern entwickelt auch allerhand beißenden Rauch.

Den einzigen allgemeinen Rat, den man Euch da als mit Preußen-Leid geprüfter Münchner geben kann, lautet: Ihr Getane nicht ernst nehmen, denn sie reden viel schneller als sie denken können; aber auch nichts gefallen lassen, denn die halten was aus; vor allem aber weiterarbeiten lassen, denn sie verachten uns nicht nur, sondern sehnen sich ewig nach unserer Anerkennung.

Nachdem die Leute vom Theater aber generell ständig ihr Leid darüber klagen, daß es zuwenig gute Autoren und neue Stücke gibt, vor allem aber, daß die Spontaneität und Gegenwartsnähe im Theater zu kurz kommen, bietet sich doch eigentlich eine ideale Lösung an. Statt immer öfter wjvien Differenzen mit dem Vnsemble das Burgtheater zu sperren, könnten sie doch an solchen Abenden ihr internes Theater einfach vor gern zahlendem Publikum auf der Bühne austragen.

Die verschiedenen Mei-nungs- und Nationalitäten-Gruppen des Ensembles werden zuerst für die Zuschauer leicht erkennbar kostümiert. Dann streiten sie in freier, aber geschliffener Rede über Spielplan und Literatur, über die Qualität der Schauspielerinnen und Schauspieler, über Fähigkeit und Unfähigkeit von Regisseuren, Dramaturgen, Direktoren und Intendanten.

Da darf jeder seine Lieblingsrolle spielen, nämlich sich selbst darstellen. Und wenn sie über sich und ihre Bedeutung fürs Theater reden dürfen, fällt ihnen bestimmt auch ohne Autor eine Menge ein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung