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Unbelehrbar
Ungefähr hundert Jahre ist es her, daß ein führender Mann der Evangelischen Kirche Österreichs, der österreichische Synodalpräsident Dr. Theodor Haase, in aller Öffentlichkeit den Antisemitismus als ,JRassenhaß gegen das Judentum, ...als Verleugnung der Kultur und der Zivilisation unserer Zeit“ verurteilt hat.
In seiner Rede im österreichischen Abgeordnetenhaus am 5. März 1886 ahnte er, was kommen könnte: „Und so lassen Sie mich schließlich nur noch den Wunsch aussprechen, daß sich die gesunden Elemente aller Nationen und aller Konfessionen die Hand bieten möchten zur Unterdrückung der antisemitischen Allüren, damit durch das Eindämmen derselben großes Unheil verhindert werde: die Verwirrung und die Verrohung der Herzen ...“
Haase hat aber den Judenhaß nicht nur aus Humanität verurteilt. In Antisemitismus. Kleine Studien“ begründet er theologisch, warum ein Christ kein Antisemit“ sein kann:
,JDas Christentum ist die Religion der Liebe, und „wer seinen Bruder haßt, der ist ein Totschläger“; der Antisemitismus aber ist der organisierte Bruderhaß...
Man kann sagen: der Haß christlicher Glaubensgenossen gegen den Volksstamm, welchem Jesus seiner Geburt nach angehörte und auf dessen religiöse Ideen sein ganzes Lehrgebäude gegründet war, ist eine persönliche Beleidigung gegen den Weltheiland und eine Verleugnung des Ursprungs des eigenen religiösen Bekenntnisses.
Wir beschimpfen, indem wir die Juden hassen und beschimpfen, den Erlöser, das Christentum, unsere Kirche, unseren Glauben, unseren Gottesdienst, unsere frommen Bräuche, uns selbst.“
Was Haase so grundlegend gesagt hat, ist wirkungslos geblieben: allgemein und in seiner eigenen Kirche. Bis heute lebt der Antisemitismus“ — nicht übermäßig bekämpft — als hauseigene Häresie im Schöße des Christentums — das ökumenische .Schlafzimmer-Christentum“ hat andere Sorgen!
Seinen christlichen Nährboden wird er erst verlieren, wenn sich das Christentum in seinen Kernaussagen zu seinen alttestamentlich-jüdi-schen Wurzeln bekennt: zum Beispiel Weihnachten — der Weltenheiland ein Judenbaby. „... und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, einen Juden“; „Der Jude Jesus ist für mich am Kreuz gestorben“; ,Jm Namen des Vaters und des Sohnes, eines Juden, und des heiligen Geistes“. Wer hier nicht mitkann, wird vielleicht begreifen, wie tief der christliche Antisemitismus“ sitzt.
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