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Urlaub aus Solidarität?

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Der Vorschlag von Vizekanzler Häuser, den Mindesturlaub für alle Unselbständigen auf vier Wochen zu erhöhen, und damit gleichzeitig den von Arbeitslosigkeit bedrohten Kolleginnen und Kollegen zu helfen, ihre Arbeitsplätze zu sichern oder neue Arbeitsplätze zu schaffen, ist durch die Forderung des ÖAAB nach einer Woche mehr Urlaub für alle unselbständig Beschäftigten fast zu einem Kompromißvorschlag geworden. Sichert er wenigstens 45.000 Arbeitsplätze, wie Vizekanzler Häuser es dem Gewerkschaftskongreß versprochen hat, oder wird er durch die zusätzlichen Kosten, die durch ihn der Wirtschaft entstehen, vielleicht sogar überkompensiert?

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Der Vorschlag von Vizekanzler Häuser, den Mindesturlaub für alle Unselbständigen auf vier Wochen zu erhöhen, und damit gleichzeitig den von Arbeitslosigkeit bedrohten Kolleginnen und Kollegen zu helfen, ihre Arbeitsplätze zu sichern oder neue Arbeitsplätze zu schaffen, ist durch die Forderung des ÖAAB nach einer Woche mehr Urlaub für alle unselbständig Beschäftigten fast zu einem Kompromißvorschlag geworden. Sichert er wenigstens 45.000 Arbeitsplätze, wie Vizekanzler Häuser es dem Gewerkschaftskongreß versprochen hat, oder wird er durch die zusätzlichen Kosten, die durch ihn der Wirtschaft entstehen, vielleicht sogar überkompensiert?

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Durch eine zusätzliche, bezahlte Urlaubswoche entstehen zweifellos zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt neue Kostenbelastungen für die österreichische Wirtschaft. Aber falls die Annahmen des Vizekanzlers stimmen, dann werden nicht nur die Kosten der Wirtschaft um zirka 2 Prozent steigen, sondern es wird auch die Arbeitszeit in der österreichischen Wirtschaft um 2 Prozent gesenkt, das heißt etwa 40.000 bis 50.000 Arbeitsplätze erscheinen zusätzlich als gesichert.

Nur: stimmen diese Berechnungen überhaupt? Derzeit gibt es in Österreich fast 2,7 Millionen unselbständig Beschäftigte. Wie viele davon haben heute Anspruch auf drei Wochen und wie viele haben Anspruch auf vier und mehr Wochen Urlaub? Bisher gab es darüber nur sehr wenige konkrete Angaben, vom Sozialministerium werden Schätzungen bekannt, daß etwa zwei Drittel der Beschäftigten bei Einführung eines vierwöchigen Mindesturlaubs ihren Urlaubsanspruch um eine Woche erhöhen würden. Die genannte Zahl von 45.000 Arbeitsplätzen, die zusätzlich geschaffen werden soll, spricht sogar für noch mehr Begünstigte. Doch diese Zahlen erscheinen als zu hoch gegriffen. Wahrscheinlich wird nur ein knappes Drittel der Unselbständigen eine Woche mehr Urlaub bekommen.

Wie kommt man zu dieser reduzierten Schätzung? In Österreich hat man nach 10 Arbeits- oder Dienstjahren Anspruch auf vier Wochen Urlaub. Ebenso haben Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr Anspruch auf vier Wochen Urlaub. Akademikern werden Studienzeiten bis zu fünf Jahren für den Urlaubsanspruch als Dienst jähre angerechnet.

Man kann also davon ausgehen, daß alle unselbständig Erwerbstätigen, die älter als 30 Jahre oder jünger als 18 Jahre sind, bereits einen Anspruch auf vier Wochen Mindesturlaub besitzen- Nach dem Wirtschafts- und Sozialstatistischen Handbuch der Arbeiterkammer für das Jahr 1973 waren in diesem

Jahre 59,8 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen älter als 30 Jahre. Rechnet man noch die 215.000 Jugendlichen unter 18 Jahren hinzu, dann hatten 1973 schätzungsweise 68,3 Prozenit der Erwerbstätigen einen Urlaubsanspruch von mindestens vier Wochen! Daraus folgt aber, daß die Einführung von vier Wochen Mindesturlaub nur ein Drittel von jenen zwei Prozent kosten wird, die eine zusätzliche Woche Urlaub für alle Erwerbstätigen kosten würde, wie sie der ÖAAB fordert. Ja, die effektiven zusätzlichen Kosten machen nicht einmal dieses Drittel von zwei Prozent, also 0,7 Prozent aus, wenn die zusätzliche Woche Urlaub für ein Drittel der Beschäftigten nur bewirkt, daß Arbeiter und Angestellte, die unterbeschäftigt sind, dann besser ausgelastet arbeiten werden.

Natürlich geht dann auch die Rech-nuig der Regierung nicht auf. Wenn nur ein Drittel der Unselbständigen eine vierte Urlaubswoche zusätzlich bekommt, dann bedeutet dies, (unter der Annahme, daß eine Woche etwa zwei Prozenten der Jahresarbeitszeit entspricht), einen Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften von 0,7 Prozent der unselbständig Beschäftigten oder zirka 18.000 Arbeitsplätze. Diese Zahl sinkt sogar noch, wenn es sich um nicht voll ausgelastete Arbeitskräfte handelt, die auf Urlaub geschickt werden sollen.

Daher ist die Forderung des ÖAAB nach einer Woche zusätzlichen Urlaubs für alle Arbeiter und Angestellten, unabhängig von ihren bisherigen Urlaubsansprüchen, diejenige, deren Realisierung sicher mehr Arbeitsplätze schaffen würde als der Vorschlag der Regierung. Außerdem ist nicht einzusehen, warum die Urlaubsansprüche nivelliert werden sollen, da doch ältere Arbeitnehmer schon aus medizinischen Gründen mehr Zeit benötigen, um sich vom Berufsstreß zu erholen, als jüngere Arbeitnehmer.

Da aber der ÖAAB-Vorschlag, der wahrscheinlich 40.000 bis 50.000 Arbeitsplätze sichert, wirklich erheblich mehr kosten würde als der Häuser-Vorschlag, wäre einmal auch zu überlegen, ob nicht alle unselbständig Beschäftigten im Jahre 1976 einmalig eine Woche unbezahlten Urlaub machen könnten. Urlaub sozusagen aus Solidarität mit den von der Arbeitslosigkeit bedrohten Kolleginnen und Kollegen. Eine Woche unbezahlter Urlaub würde der österreichischen Wirtschaft keine zusätzlichen Kosten verursachen und damit viel wahrscheinlicher zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Eine Woche unbezahlter Urlaub würde den Konsum zu Lasten der Ersparnisse erhöhen und alle zudem erkennen lassen, wieviel die bisher bezahlten Urlaubswochen kosten und uns daher wert sein sollten. Daher sei nochmals die Frage gestellt: Warum nicht im Jahre 1976 einmal eine Woche unbezahlten Urlaub aus Solidarität mit den von Arbeitslosigkeit bedrohten Kolleginnen und Kollegen?

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