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Digital In Arbeit

Vertrauen ist gut

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Man sagt, daß die Men -sehen immer schlechter werden und immer weniger Vertrauen zu den anderen haben. Das ist nicht wahr. Das Gegenteil ist wahr, und der beste Beweis dafür sind die Kreditkarten.

Ich bin kein Lateiner, so viel weiß ich aber, daß „Kredit“ etwas mit „credere“ zu tun hat, und das heißt - ich habe im Wörterbuch nachgesehen - „glauben, vertrauen“.

Mit so einem vom Computer bestätigten Ausweis meiner Glaubwürdigkeit kann ich dann ruhig erzählen, was für ein schöner schlanker Jüngling oder was für ein kluges Kind ich war; wenn jemand dabei ironisch lächelt, zeige ich ihm meine Glaubwürdigkeitskarte und er muß sein Lächeln zurücknehmen.

Na, ja... Ich weiß... Für. moralischen Kredit gibt es noch keine Karten. Die Institutionen, die sie herausgeben könnten, haben wohl doch Angst vor der Pleite: Man kann einem Menschen eher glauben, daß er etwas bezahlen kann, als daß er die Wahrheit sagt.

Aber auch so sind die Kreditkarten eine gute und bequeme Erfindung. Hatte man anno dazumal Lust auf einen Krug Wein, mußte man ein Schaf zum Winzer schleppen, und der hat es zuerst gründlich abgetastet, ob es auch wirklich fett ist; oder man mußte ihm ein Goldstück bringen, in das er reinbeißen konnte. Papiergeld ist schon viel bequemer, aber unpersönlich: Man schenkt das Vertrauen nicht mir, sondern der Notenbank. Schecks sind persönlich, fast wie eine Kreditkarte: In beiden Fällen muß man beim Einkauf eine Unterschrift leisten. Nur kann es einem passieren, daß man genau in dem Moment, wenn man auf ein saftiges Steak Lust hat, feststellt, daß man vergessen hat, sich Schecks zu holen. Eine Karte kann man immer bei sich haben, es sei denn, sie wurde soeben gestohlen.

Die Kreditkarte besagt, daß ihr Inhaber genug Geld hat, um auch ohne Geld einkaufen zu können. Früher brauchte man sie nicht: Wenn man jemanden kannte, wußte man, wie kreditwürdig er ist, und Unbekannten hat man eh nichts auf Borg gegeben. Heute leben wir fast ausschließlich unter Unbekannten und jemand muß für uns bürgen. Es ist übrigens gut so, daß wir mit Unbekannten zu tun haben, sonst würde uns nie jemand was borgen.

Ich habe nur ein Problem: Ich bin ein gutgläubiger, vertrauensvoller Mensch und habe vor dem gedruckten Wort Respekt. Wenn mir eine mächtige Firma auf einem glänzenden Stück Kunststoff schwarz auf weiß (oder meinetwegen rot auf blau bestätigt, daß ich genug Geld habe, kann es dann passieren, daß ich es auch selbst glaube und viel mehr einkaufe als ich bezahlen kann. Was dann? Kann man auch einen Strafverteidiger per Kreditkarte bezahlen?

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