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Alternative zum Üblichen
Es freut mich einfach, daß es Leute gibt, die sich darüber den Kopf zerbrechen, was sie für mich persönlich tun könnten.
Es freut mich einfach, daß es Leute gibt, die sich darüber den Kopf zerbrechen, was sie für mich persönlich tun könnten.
Es war ein sehr lieber Anruf - von einem Mann, der sich um mich Sorgen macht, obwohl wir uns nie gesehen haben. Er ist V ersicherungsmakler, hat schon einmal angerufen und mir — mit wohl beruflich geübtem Scharfsinn - auf den Kopf zugesagt, daß ich an die Versicherung zuviel Geld zahle. Und falls ich noch nicht zuviel zahle, wird das demnächst der Fall sein, denn meine Versicherung wird die Sätze erhöhen. Gestern ist tatsächlich ein Papier mit Kürzeln und Zahlen gekommen, das ich sorgfältig abgeheftet habe, ohne es zu lesen, weil ich daraus sowieso nicht klug werde. Mein unbekannter Freund hat mich dazu gebracht, ihm alle Kürzel durchzusagen, und hat mir flugs ausgerechnet, daß ich fast fünfhundert Mark im Jahr sparen kann, wenn ich mit seiner Hilfe zu einer anderen Versicherung übertrete.
Ich weiß nicht, ob ich es mache — ich unterschreibe ungern irgendwelche Papiere mit Kleingedrucktem, ich habe mir zwei Tage Bedenkzeit ausbedungen. Aber die Sache an sich ist rührend, nicht wahr? Ein völlig unbekannter Mensch macht sich um mich und mein Geld Gedanken!
In der Post lag heute ein Brief von einem Autohaus, an mich persönlich adressiert. Die Herren fragten mich, ob ich „nicht schon immer einen Wagen fahren wollte, der die Alternative zum Üblichen ist?“ Also, wenn man mich so direkt fragt, muß ich sagen, daß ich darüber noch nie nachgedacht habe. Ich fahre immer mit dem Wagen, mit dem man mich mitnimmt. Wenn ich aber nachdenken würde, würde ich mir sicher eine Alternative wünschen: Einen Wagen, der sich selbst lenkt, denn ich habe es nie gelernt. Ich bin nicht sicher, ob der angebotene japanische Wagen so vollautomatisch ist, da steht nur, daß er sechs Zylinder, fünf Gänge, 145 PS und 186 Stundenkilometer hat. Wird wohl nichts für mich sein — Zylinder brauch ich nicht, weil ich keinen Frack habe; der eine Gang in meiner Wohnung ist lang genug — da ich jedesmal, wenn ich mir Tee mache, mindestens dreimal hin und her laufen muß, würde ich bei fünfen verrückt werden. Aber es freut mich, daß die Leute, die ich gar nicht kenne, an mich denken.
Und sie sind nicht die einzigen. Mehrere Weinhändler haben irgendwo erfahren, daß ich einen erlesenen Geschmack habe, und bieten mir ganz besondere Weinsorten, nur für mich. Ein Hosenproduzent bietet mir ausgesuchte elegante Beinklei der. Ich würde in ihnen sicher wie ein junger Gott aussehen, wenn ich mich mal aufraffe, sie zu bestellen. Noch mehr: Ejn Modehaus bietet mir sogar speziell für meinen persönlichen Zuschnitt kreierte modische Damenkleidung; diese Firma spricht mich zwar im Brief mit „Gnädige Frau“ an, auf dem Umschlag steht jedoch meine persönliche Adresse: „Herr …“.
Manchmal kriege ich solche Zeugnisse persönlicher Fürsorge, bei denen ich nicht weiß, ob ich mich so richtig freuen soll. So etwa hat man mir schon mehrmals einen Wohnsitz in einem Altersheim zur Verfügung stellen wollen. Oder eine Zeitschrift und ein Institut, unabhängig voneinander, wollten mir das Schreiben beibringen. Ich bin jedoch sicher, daß diese Leute es gut meinten.
Es freut mich, daß es Leute gibt, die sich darüber den Kopf zerbrechen, was sie für mich persönlich tun könnten. Natürlich wollen sie dafür Geld, aber was ist schnöder Mammon gegen persönliche Fürsorge?
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