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Viermal Österreicher

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Es sind vor allem die Wiener Kleinbühnen, die immer wieder neue Stücke von österreichischen Autoren aufführen. Nur durch neue Stücke erhält sich das Theater lebendig, man muß es immer wieder betonen. So kommt den Kleinbühnen ein besonderes Verdienst zu. Wie nun profilieren sich vier der jüngeren unter diesen Autoren?

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Es sind vor allem die Wiener Kleinbühnen, die immer wieder neue Stücke von österreichischen Autoren aufführen. Nur durch neue Stücke erhält sich das Theater lebendig, man muß es immer wieder betonen. So kommt den Kleinbühnen ein besonderes Verdienst zu. Wie nun profilieren sich vier der jüngeren unter diesen Autoren?

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Gewaltsame Anpassung ist das Prinzip der links- und rechtsgerichteten Terrorstaaten. Das stellt Harald Sommer in seiner Zweipersonen-Szenenreihe „Dos Stück mit dem Hammer“ dar, das vor drei Jahren in Köln uraufgeführt wurde und nun bei den Komödianten“ im Künstlerhaus zu sehen ist Zwecks dieser Anpassung werden X und Y Licht- und Tonsohocks ausgesetzt, wobei sie zwischendurch an einen Ausbruch denken, Belangloses reden, mit wissenschaftlichen Begriffen sozusagen Ball spielen. Beckett ist nicht fern, nur lotet Beckett in Seinstiefen, während Sommer ungleich weniger tief eine Grausam-keibssituation des Soseins bloßstellt. Regie führt überaus einfallsreich Dietrich Schlederer, er bietet das Stück mit Hilfe des Bühnenbildners Gerhard Jax als Zirkusspiel dar, mit zwei „schönen Clowns“ auf elastischer Spannfläche, mit Strickleitern und Seilen. Das Gräßliche wird optisch reizvoll gemacht Schlederer selbst und. Manfred Lukas-Luderer stellen überaus beweglich den X, den Y dar.

Die Vorgänge eines alten beliebten Stücks in die so ganz anderen Zustände von heute zu versetzen, ist durchaus ein Einfall. So schrieb Peter Henisch nach Nestroys Lum-pazi-Stück die Antiposse mit Gesang „Lumpazimoribimdus“, die im „Experiment, Theater am Lichtenwerd“ aus Anlaß des zwanzigjährigen Bestehens dieser Bühne zur Uraufführung gelangte. Antiposse? Weil da nicht drei drollige Hallodris zuein-anderfinden, sondern Scheck, ein 'haschender junger Bankbeaimter, Glasl, ein Einbrecher und Säufer, Kuli, ein dummer Sexprotz. Nichts Gemütliches, scharfe Kritik wird spürbar. Und Moribundus? Angesichts des Todes — der Komet naht — „is eh alles wuiBcht“. Übrigens: Als Glasl und Kuli einen Banküberfall versuchen, erschießt sie Scheck, der am Schalter Dienst tut. — Auf der Bühne geht kaum viel vor, es gibt dauernde monologische Äußerungen der drei, verbal in der kraß wienerischen Ordinärheit der „entern Grund“ und vor allem coupletartig im Gesang zum etwas zeitfremd wirkenden Cembalo. Das anreißerische Musikalische stammit von Thomas Declaude

und Karl Friedrich. Declaude spielt auch mit vollem Einsatz den Säufer. Die weiteren Darsteller sind unter der Regie von F. F. M. Sauer ebenso engagiert am Werk.

Eine besondere Begabung für die Zeichnung originell gesehener Gestalten besitzt Herbert Berger, wie sein im Ateliertheater uraufgeführ-tes Stück „Ein Schuft gegen die Weiber“ bezeugt Willi verließ seine Frau Hilde, als sie schwanger wurde, treibt ihren zweiten Ehemann Hermann mit 'hinterhältiger Zutunlich-keit der eigenen nunmehrigen ,,Braut“ zu, einfach aus der Lust, Hermanns Beziehung zu Hilde zu zerstören. Das Bösartige als Urtrieb im Kleinformat. Weitere wirksame Figuren sind der Szenenreihe locker eingefügt Wie vorzüglich an manchen Kleinbühnen gespielt wird, erweist diese Aufführung unter der Regie von Max Pfeiler. Alle Rollen sind voll deckend besetzt, wie man es nur selten an GroObühnen findet, mit Reinhard Reiner als Willi, Edith Picha als Hilde, besonders hervorzuheben Louis Strasser als deren Vater, sowie mit Walter Scheuer als Hermann, Renate Ledöchowska als „Braut“ und Gerhard Eisnecker in einer Nebenrolle.

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In unserer überrationalisierten Zeit gibt es weiterhin Menschen, die für alles dem Verstand Unzugängliche anfällig sind Dazu gehört Frau Beate, Inhaberin eines Sexladens, in der Komödie „Liebling, wer hat dich verhext?“ von Wolfgang Kudrnofsky, die in der Kleinen Komödie uraufgeführt wurde. Frau Beate wähnt ihren verschollenen Mann tot. Auf Grund einer Heiratsannonce erscheint ein Schwindler, der ihr parapsychologischen Klimbim vormacht — Astrologie, Hellsehen, Löffelbiegen, Seelenwanderung, ein Liebestrank kommt auch noch vor — und sich bei ihr einnistet, bis der Verschollene dann doch zurückkehrt. Der Witz schlägt nun freilich nicht genug durch. Die Anfälligkeit für derlei ist wohl eine zu wenig lästigfallende Zeitkrankheit. Unter der Regie von Herbert Gnedt wird von Senta-Maria Parsons und Hellmuth Hron in den beiden Hauptrollen weniger perfekt als sonst in diesem Theater gespielt

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