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Vom Zauber der Stimme

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Bedeutende musikalische Eindrucke'verdankte man in den vergatteren Wochen* gereiften tDermota, Hotter) und auch jungen Sängerpersönlichkeiten. — Beim Ensemble Kontrapunkte gastierte Peter Schreier im Brahms-Saal. Nach einer Mozartschen Serenade (Es-Dur, KV 375), die absolute Festspielqualität hatte, spielte Josef Luitz mit Rainer Keuschnig das „Märchen“ von Janäcek. Und dann kam das Ereignis: die kaum je (weil „teuer“) aufzuführenden „Lieder eines Verschollenen“ desselben Meisters. Neun Damen des Arnold-Schönberg-Chores und die beachtlich neben Schreier bestehende Anne Gjevang für die „verteilten Rollen“ waren neben dem vorzüglichen Pianisten Rainer Keuschnig nötig, die eigenwilligen Lieder des mährischen Genies zu Gehör zu bringen. Schreier erfüllte die Dramatik dieser kleinen Klavieroper mit viel Temperament und Gesangskultur und erntete begeisterten Applaus, der sicherlich auch dem Komponisten anzurechnen war. Für die Mozart-Interpretation am Anfang zeichnete Peter Keuschnig verantwortlich.

Ebenfalls im Brahms-Saal gastierte das spanische Gesangswunder Teresa Berganza. Schade, daß diese große Sängerin in der Wahl ihrer Werke weitaus weniger Geschmack bewies als im Vortrag. Der zweite feil konnte nur von der Ausführung her bewegen: Vier eher oberflächliche Lieder von Faure, vier flache von Granados und fünf ausgesprochen platte von Xavier Montsalvatge ließen auf die Zugaben hoffen. Perlen daraus: eine in kühler ironischer Distanz gesungene Arie aus „Carmen“, die jetzt von der Berganza erarbeitet wird, und eine herrliche Cherubin-Arie, die nicht zu Unrecht als Meisterleistung der berühmten Spanierin gilt. Im ersten Teil gab es viel Schönes von Carissimi, A. Scarlatti, Pergolesi, Rossini (hier beeindruk-kend die menschliche Reife, die zu biespielgebender Einfachheit des Vortrags führte!) und acht Wolf-Lieder, die zwar geteilte Aufnahme fanden, aber vor allem die Affinität zu des Meisters Gefüh'stiefe (Verborgenheit!) erkennen ließ. Bei Wolf konnte auch der hervorragende Klavierbegleiter Ricardo Requejo sein hohes Niveau unter Beweis stellen.

In einem Zeitalter, in dem der Reformeiter mancherorlen schon in einen Wahn auszuarten droht, ist man für schöne Traditionen doppelt dankbar. Einer solchen und Xaver Meyers Aktivität war die diesmalige vorösterliche Aufführung der Matthäus-Passion von Bach zu danken. Meyer hatte auch gewissenhafte Probenarbeit geleistet, was sein guter Wiener Madrigalchor und die Buben der Wiener Goethe-Kantorei zeigten. Meyer ließ ein Barockensemble aus Mitgliedern des ORF-Symphonieorchesters etwas pastos und diffus musizieren; vielleicht war der „weiche Schlag“ ohne Taktstock daran schuld sowie die Tatsache, daß sich Meyer fast ausschließlich um die Sänger kümmerte. Das Soloquartett bereitete übrigens wirklich Freude: Julia Migenes, Star sonst in einem anderen Milieu, war eine ausgezeichnete Oratoriensängerin mit trefflichem Geschmack, William Ingle als hoher, heller Tenor komplettierte die freudige Überraschung. Helga Wagner warf ihre vielfache Oratorienerfahrung ins Treffen, Franz Mayer war ein junger Baßsolist mit schönem baritonalem Timbre. Von den Instrumentalsolisten sei György Homo-ki für ein sehr schönes Violinsolo dankbar hervorgehoben.

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