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Von der Monokultur zur gesunden Struktur
Das Schlagwort von der „Monokultur Textilindustrie“ hat keine Berechtigung mehr. Wie kaum einer anderen Branche ist der Textilindustrie ein aufsehenerregender Strukturwandel gelungen. Heute präsentiert sich dieser nach wie vor dominierende Wirtschaftszweig Vorarlbergs in einer geradezu einzigartigen Produktionsvielfalt mit breit gefächerter Absatzstruktur.
Der Slogan „Monokultur Textilindustrie“ trifft für Vorarlberg auch in einem anderen Sinn längst nicht mehr zu. Die übrigen Industriesparten haben in den letzten Jahren hohe Wachstumsraten erzielt und sich selbstbewußt neben die ebenfalls stark expandierende Textilindustrie gestellt. Dieser Entwicklungsprozeß spricht nicht gegen die Textilwirtschaft, sondern für die Potenz des nichttextilen Sektors.
Denn wenn die Textil- und Bekleidungsindustrie von 1964 bis 1979 ihren Bruttoproduktionswert von 4,6 auf 11 Milliarden Schilling erhöhen konnte und damit eine Ausweitung ihrer Erzeugung um 139 Prozent erreichte, nimmt sich dies im Vergleich zur Eisen-, Metall- und Elektrogruppe (EMEL) mit einer Expansion von 0,6 auf 6,3 Milliarden oder 950 Prozent geradezu bescheiden aus.
Andererseits aber war die absolute Produktionszunahme im textilen Bereich mit 6,4 Milliarden noch um 100 Millionen größer als das gesamte derzeitige Produktionsvolumen im EMEL-Bereich. Ähnliches gilt für die übrige Industrie - hieher gehörerretwa der Nahrungsmittelbereich, Papier und Holz, die Chemie -, die von 1964 bis 1979 eine recht beachtliche Steigerung der Bruttoproduktion von 1,3 auf 5,3 Milliarden Schilling (plus 308 Prozent) erreichen konnte.
Die Entwicklung des nichttextilen Sektors in Vorarlberg hat viel zur Auflockerung der Wirtschaftsstruktur beigetragen. 1964 partizipierte die Textilindustrie an den gesamten Industrieumsätzen noch mit 70,8 Prozent.
Eine relativ starke Strukturverschiebung haben dann die Jahre von 1968 bis 1972 gebracht, sank doch in diesem Zeitraum der Anteil der Textilindustrie auf 62,1 Prozent, während EMEL auf 16,8 Prozent und der übrige Sektor auf 21,1 Prozent kletterte. Besonders ausgeprägt zeigte sich diese Entwicklung in der letzten statistisch erfaßten Periode von 1972 bis 1979: Die gesamte Vorarlberger Industrieproduktion erhöhte sich um 65 Prozent auf genau 22.613 Millionen Schilling, wobei der wertmäßige Zuwachs der Textilindustrie 29 Prozent betragen hat, bei der Bekleidungsindustrie ebenfalls 29 Prozent und in der EMEL-Gruppe 176 Prozent erreicht wurden. In absoluten Werten ausgedrückt heißt das, daß von der Mehrproduktion 1979 von insgesamt rund neun Milliarden 44 Prozent oder vier Milliarden auf den Eisen-, Metallund Elektrobereich, 28 Prozent (2,5 Milliarden) auf den Textil- und Bekleidungssektor und 28 Prozent auf die übrigen Industriesparten entfallen.
Daß die Textilindustrie nicht nur im „Ländle“ dominiert, sondern in Österreich eine Spitzenstellung einnimmt, ist bekannt. Weniger bekannt dürfte sein, daß Vorarlberg seine traditionell starke Stellung im nationalen Maßstab geschickt ausgebaut und vielleicht früher1 und zielbewüßter als anderswo den entscheidenden Schachzug zur Umstellung von der vorwiegend quantitätsorientierten Produktion auf qualitativ hochwertige Erzeugnisse gewagt hat. Damit verbunden war auch der Übergang von den herkömmlichen lohnintensiven zu immer kapitalintensiveren Produktionsmethoden.
Nur so war es möglich, den Anteil Vorarlbergs an der gesamtösterreichischen Textilerzeugung von 33 Prozent im Jahre 1964 auf momentan 46 Prozent zu erhöhen, wobei in dieser Relation die Vorarlberger Zweigbetriebe in Innerösterreich noch gar nicht berücksichtigt sind. Vorarlberger Spezialitäten liegen in der nationalen Produktionspalette natürlich anteilsmäßig noch weit über dem Durchschnittswert, so die Trikotstoffe und bedruckten Gewebe mit jeweils über 70 Prozent, gestrickte und gewirkte Oberbekleidung mit über 60 Prozent, Ra
schelspitzen und -Stoffe mit mehr als 90 Prozent sowie Stickereien aller Art mit 100 Prozent.
Nur so erklärt sich auch die im Vergleich zum übrigen Österreich um ein Viertel höher liegende Pro-Kopf-Leistung (Produktivität) in der Vorarlberger Textilindustrie; und nur so konnte schließlich der Anteil Vorarlbergs am gesamtösterreichischen Textilexport von 30 Prozent im Jahre 1964 auf derzeit 46 Prozent gesteigert werden.
Der Autor leitet die Pressestelle der Handelskammer für Vorarlberg
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