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Von Mozart bis Berg

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Man kommt aus Warschau und exekutiert einen exzellenten Mozart — die Warschauer Philharmonie unter Witold Rowicki spielte im Musikverein Mozarts Haffner-Symphonie sauber, von disziplinierten Geigern dominiert, durchsichtig und mit Eleganz, echt im Stile Mozarts, der bis zu unserem Jahrhundert der letzte verbindliche europäische Musikstil geblieben war. — Daß Kon-stanty Kulka, der 28jährige polnische Solist in Bartöks zweitem Violinkonzert, Temperament hat, durfte man als gegeben voraussetzen. Wer keines hat, muß auf Bartök verzichten. Kulka aber hatte darüber hinaus eine intelligente Musikalität, kultivierte 1 BogenbehandJung und einen leuchtenden Ton. Daß diese Musik zwischen retrospektiv, expressiv und avantgardistisch gemäß Bartöks Intentionen auch zu einer symphonischen Manifestation wurde, war Kulka und seinem ausgezeichneten Orchester zu danken. Die Polen können das: romantisch determinierte Avantgarde. Tadeusz Baird schwimmt hier mit der „Mu-sique Epiphanique“ aus den Jahren 1962/63 im Kielwasser von Pende-recki, ist aber noch merkbar traditionsgebundener. Die Warschauer servierten das dreizehn Minuten kurze Stüde mit Songfialt. Zum Abschluß gab es strahlendes Blech, weiches, humorvolles Holz und drängendes Schlagzeug: Rowicki ließ einen bauernbunten, rhythmisch belebten russischen Jahrmarkt und somit einen blendenden Petruschka“ von Strawinsky erstehen, der das überlange Konzert mit Triumph krönte. Herbert Müller

Höhepunkt dieses Festwochen-Eröffnungskonzerts im Konzerthaus

war Friedrich Gulda, der mit einer beispielhaften Wiedergabe von Mozarts B-Dur-Klavierkonzert stürmische Begeisterung, Ovationen, Bravogeschrei auslöste. Sein Anschlag besticht durch kaum noch überbietbare Reinheit und Schönheit. Mit federnder Elastizität formt er die Bögen, kostet Details in den feinsten Schattierungen aus. Und er ist nie Klavierartist, sondern musiziert, hier mit den Wiener Philharmonikern unter Claudio Abbado, geradezu symphonisch: in idealem Gleichgewicht, in wohlausbalanciertem Ausdruck. Die Aufführung von Alban Bergs Opus 4, den „Fünf Orchesterliedem nach Ansichtskartentexten von Peter Altenberg“, wurde von den Philharmonikern mit all dem Schimmern, Raunen, Rausehen und Verdämmern gespielt, das diese Partitur so reizvoll macht. Nur die Solistin ließ da einige Wünsche offen: Elisabeth Söderströms Sopranvolumen reichte stellenweise kaum über den Orchesterklang hinaus, wirkt im Piano stumpf. Schuberts „Enste“, ein Werk des Sechzehnjährigen und noch ganz an Haydn und Mozart orientiert, eröffnete das Konzert: so locker gespielt, wie das Werk in seiner Reihung von Gedanken komponiert ist. Johann Strauß' Opus 443, der Walzer „Seid umschlungen, Millionen“ beschloß das Fest: Abbado ließ ihn als Katarakt leuchtender Farben, als prächtige Walzervision aufspielen. Wird es gelingen, mit dieser vierwöchigen Aktion für Strauß, die Werke des Meisters in die normalen Konzertprogramime zu integrieren?

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