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Weltgeschichte(n)

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Kein Papier des Bundesheeres und kein aber doch auf überhaupt gar keinen Fall legal abgehörtes Telephongespräch einer österreichischen Zeitung kann so geheim sein wie der Gehirnwellen-Abtaster, der mir kürzlich nach einem Burgtheaterbesuch anstelle meines Mantels ausgefolgt worden ist. Zuerst hielt ich das unscheinbare kleine graue Alumi-nium-Röhrl für einen Bestandteil des Bühnenbildes, aber plötzlich hörte ich es aus dem Rohr piepsen: „Bin ich froh, daß sein schäbiger Mantel fort ist, jetzt muß er sich endlich einen neuen kaufen!“

Ich hatte irrtümlich mit dem Röhrchen auf den Kopf meiner Frau gezielt. Jetzt erst wußte ich, was mir da in die Hände gefallen war. Da zufällig gerade der Burgtheaterdirektor höchstpersönlich des Weges kam — was in einer erfundenen Geschichte ja immerhin sogar am Ende einer gewöhnlichen Burgtheatervorstellung möglich ist —, von einem sehr bekannten lebenden Autor am Rockknopf gepackt und in ein Gespräch verwickelt wurde, pirschte ich mich unauffällig an, hielt mein Ohr an das eine Ende des Rohres, zielte mit dem anderen auf den Hochmögenden, und schon sprudelte das Gepiepse seiner Gedanken an mein Ohr: „Zu blöd, warum bin ich gekommen, was soll ich jetzt sagen, nur nicht schon wieder das Stück eines lebenden Autors, wo ich doch die Klassiker so liebe, wie mache ich diesem Menschen klar, daß das gar nichts mit den hohen Bearbeitungsgebühren zu tun hat, die sie mir einspielen, ach, die Leute denken immer gleich so schlecht von einem großen Mann wie mir!“

Unwillig warf ich das Ding von mir, aber sofort durchzuckte mich ein faszinierender Gedanke, ich hob es wieder auf/ verbarg es, mangels des abhandengekommenen Überziehers, unter meiner Jacke und schlich damit anderen Tages auf den Ballhausplatz. Ich hatte Glück, der Kanzler trat gerade mit sorgenzerfurchter Stirn ans Fenster' seines Arbeitszimmers, ich hob das Rohr, zielte, und hörte: ,ßie Regierungsumbildung geht mir noch viel zuwenig weit. Darüber muß ich noch gründlich nachdenken. Oberhammer war am Anfang vielversprechend, aber jetzt versteht er mir schon zu viel vom Geschäft. Vielleicht sollte ich Oberhammer zum Außenminister und Bielka zum Generalintendanten machen, dann war' wieder eine Weil' Ruh'...“

Leider, er trat in sein Zimmer zurück, ich hörte nichts mehr und ging von hinnen. In den folgenden Tagen war ich ein eifriger Besucher aller jener Anlässe, bei denen sich die Politiker unter das Volk zu mischen pflegen.

Ich nahm Gratz aufs Korn und hörte: „Ich weiß von nichts, ich habe von nichts gewußt, ich darf von nichts wissen, ich will nichts wissen,das Wort Bauring habe ich nie gehört, ich weiß von nichts, ich habe von nichts gewußt...“

Da mir diese Litanei etwas abwechslungslos erschien, suchte ich Abwechslung in den Gedanken des ÖVP-Generalsekretärs Busek. „Ein Königreich für ein paar richtig zündende soziale Forderungen“, dachte er, „und dann sollen sie von mir kommen, und nicht vom Mock. Die Urlaubsgeschichte liegt mir noch im Magen. Nächstes Mal muß ich mich mehr beeilen — wenn wir schon nachgeben müssen!“

„Der Androsch“, dachte Bundes-parteiobmann Taus, „ist für die Einschränkung der Sparförderung und für die Senkung der Sparzinsen. Der Benya ist absolut gegen die Senkung der Sparzinsen. Was immer ich jetzt dazu sage — ein Roter hat es vor mir gesagt. Schwer, ein Währungsfachmann und Oppositionschef zu sein!“

Selbstverständlich habe ich mit meinem kleinen grauen Rohr auch auf Heeresminister Lütgendorf gezielt. Und was hörte ich da? Das hörte ich da: „Man sollte das Bundeskanzleramt umzingeln. Die Lö-welstraße zernieren. Aber mit meinen Sechsmonatedienern? Und wenn ich mit ein paar Panzern vor dem Parlament auffahre, klettern mir die Jusos hinauf und schreien ,Sechs Monate sind genug!' Ich muß den Kreisky bitten, daß er mir wenigstens erlaubt, den Konecny einzuberufen. Den schleife ich dann persönlich. Ach. Träume,Träume...“

Frau Gesundheitsminister Leodol-ter war mein letztes Opfer, aber ich vernahm nur leises Rauschen — denn schon hatte eine schwere Hand nach meinem Rohr gegriffen, es mit einem kleinen verborgenen Schalter abgestellt und mir zuletzt entwunden, während mir eine andere Hand die Erkennungsmarke hinhielt. „Woher haben Sie das?“ fragte streng der zugehörige Mann.

„Aus einer Theatergarderobe“, sagte ich, „wahrscheinlich hat es dort einer Ihrer Leute vergessen. Der Test war sehr interessant. Warum hören Sie eigentlich noch Telephone ab, wenn Sie so etwas haben?“

„Eigentlich ist dieses Ding da nur ein besseres Spielzeug“, sagte der Staatspolizist, „denn was die Leute denken, interessiert uns nicht Wichtig ist nur, was sie sagen. Der Unterschied ist in einigen Fällen erheblich.

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