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Wer kann sich schon helfen?

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„Ich kann mir nicht helfen", sagte der Friseur und ließ die Schere künstlerisch durch die Luįt schnattern, „idi kann mir nicht helfen, aber mir g’fallen halt so viel der Bunny und seine Kumpane. Und ich sitz da und manchmal krieg ich gar keine Luft mehr, weil…" Er mußte Atem holen.

„Meine Kinder weigern sich", sagte die Maniküre und ihre Feile blitzte im Halbkreis, „so etwas Niveauloses anzusehen. Sie verschwinden ins Nebenzimmer und spielen ,Bonanza’ oder ,Morde-mich-ich-bin-das-Opfer’. Mein Mann aber sitzt vor dem Bildschirm und johlt und wartet auf das Gepenst und auf den Kater und auf den Fleischerhund und auf den Geier und auf den Stier wenn er bremst, daß die Reifen jaulen, und auf den tasmanischen Teufel und die ganzen VieOier halt."

„Und Donald Duck ist der Größte", sagte der Lehrling mit dem Besen, „denn er ist ganz voller Wut und Menschenhaß. So schön! Neulich, wie er…, hab’ ich geglaubt, ich…" Er begann zu ersticken, klappte zusammen, wischte Tränen und konnte sich nicht helfen.

Schade um Marianne Koch. Als „Journalistin" ist ihr in zeitlichen Abständen der Beweis aufgetragen, daß die Welt hausbadcen ist, daß die Herzen durchwegs von Gold sind, nur eben ein bisserl verstaubt manchmal, UTWJ daß sie deshalb aufpoliert gehören. Marianne poliert auf und berichtet aus einer Welt, in der die Langweiligen sich nicht langweilen. Schade um Nicole Berger. Man hat sie einstmals als Ärztin in das Pyrenäendorf Tourlezanne deportiert, um dort Dinge zu erleben, die sie in jedem Bergdorf der Welt genav^ogut und nicht anders erlebt hätte. Schade, denn Nicole war eine große Begabung. Ihr Name besagt nicht „Hirt" auf französisch, sondern schlicht und unumwunden Berger, wie man eben in Wien heißt, von wo ihr Vater, der Pariser Mode- und Meisterphotograph, gekommen war. Als Nicoles Stern zu steigen begann, erfüllte sie sich den Wunsch ihres Lebens und kaufte den stärksten Sportwagen, den es damals gab. In den Trümmern dieses Wagens starb sie 1967. Und deshalb scdlte man JEine zuviel" gelegentlich anschauen. Nicht, um sich in Tourlezanne zu langweilen, sondern um Abschied zu nehmen von Nicole Berger, der Österreicherin aus Paris.

Eine österreichisdie Institution jubilierte dieser Tage: Heinz Conrads. Gäbe es ihn nicht, man müßte ihn eines gewissen Publikums wegen erfinden. Er aber erfand sich selbst; vor 25 Jahren.

Leserbrief: „Verehrliche Redaktion! Finden Sie nicht auch, daß es eine Chuzpe ist, wenn einem in ,Kultur aktuell’ nach reizvollen Kasperliaden von H. C. Artmann und herrlichen Architekturen von Otto Wagner diverse Schießscheiben, Verkehrszeichen und Druckknöpfe als die künstlerische Offenbarung eines Zeitgenossen angeboten werden, und finden Sie nicht auch, daß ein Schwall von sinnentleerten Fremdwörtern, die weniger der Erklärung als der Spießerverwirrung dienen sollen, aus der Sache nichts anderes machen als was sie nun einmal tatsächlich ist, nämlich eine Frozzelei, und finden Sie nicht auch, daß Sie darüber etwas schreiben sollten? Hochachtungsvoll

ERICH THANNER, WIEN."

DoJJ dos Fernsehen nicht nur feine Bildung, sondern auch Unbildung verbreitet, ist größtenteils seinen Sprechern und Prösenta-toren zu danken. So wurde bei der Ansage einer Buchrezension (Joseph Roth: Briefe) der Autor zweimal als „Rott" vorgesteüt — tüohl ein Vetter des Adolf Rott. Und von einem modernen Maler hieß es, seine Bilder seien von Breughel und Forsch inspiriert — wahrscheinlich ein Vorfahre des Auto-Porsche. Und einige Tage später sprach einer in der Sendung „Zeit im Bild" von „einem zum Brechen gespannten politischen Klima" (wie verkneifen uns nur mühsam den sich anbietenden Wortwitz).

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