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Wie man Kirche managt

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Einen außergewöhnlichen Weg beschritt die Evangelische Kirche A.B. in Wien. Sie ließ sich von einem renommierten Institut „durchleuchten" und Szenarien für die Zukunft erstellen.

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Einen außergewöhnlichen Weg beschritt die Evangelische Kirche A.B. in Wien. Sie ließ sich von einem renommierten Institut „durchleuchten" und Szenarien für die Zukunft erstellen.

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Kirchenaustritte sind keineswegs nur ein Problem der Katholischen Kirche (FURCHE 10/1993), sondern auch die Evangelische Kirche A.B. leidet darunter, und zwar laut Christian Horak (Österreichisches Con-troller-Institut/Contrast GmbH), der in diesem Zusammenhang den Raum

St. Pölten nennt, vor allem dort, wo auch die Katholiken austreten. Es sollen sogar schon Evangelische aus Protest gegen die Einstellung des Papstes zur „Pille" ihre Kirche verlassen haben.

Die sinkende Mitgliederzahl (die nicht nur an den Austritten liegt, sondern auch daran, daß in gemischtkonfessionellen Ehen die Kinder eher nicht evangelisch getauft werden) führte dazu, daß auf Beschluß der Wiener Evangelischen Synode das von Rolf Eschenbach als Ordinarius geleitete Institut für Unternehmensführung der Wirtschaftsuniversität Wien eine Studie „Die Zukunft der Evangelischen Kirche in Wien" erstellte.

Bei der Präsentation der Studie lagen kritische Fragen nahe: Lassen sich spirituelle Vorgänge „managen"? Besteht nicht die Gefahr, daß die Botschaft zu sehr dem erhobenen „Bedarf' angepaßt wird?

Der Wiener Superintendent Werner Horn meint, es gehe darum, den Menschen dort abzuholen, wo er steht, und nicht Fragen zu beantworten, die niemand mehr stellt. Insofern könne eine solche Studie ein „Hilfsinstrumentarium" sein.

In der Studie selbst geht es um Ziele und Leistungen, um Organisation, Führung und Personal, um Finanzielles, um Zielgruppen und Wettbewerb, um Strategien für die Zukunft. Daß Religionsgemeinschaften nicht nur mit anderen solchen Gemeinschaften im „Wettbewerb" stehen, sondern auch mit Institutionen im Dienst- und Sozialleistungsbereich (Schulen, Spitäler) und im Freizeitbereich (Medien, Sport) ist Kirchenleuten meist zu wenig bewußt.

Die Studie listet die Stärken und Schwächen der Evangelischen Kirche auf und empfiehlt für die Zukunft besonders zwei Stoßrichtungen: verstärktes Bemühen um die Jugend und Ausbau der persönlichen Betreuung auf Gemeindeebene - beides verbunden mit einer in den nächsten fünf Jahren auszubauenden professionellen Öffentlichkeitsarbeit.

Rolf Eschenbach meint, die Studie betreffe nicht nur die Wiener Evangelische Kirche, sondern auch andere Kirchen mit ähnlichen Problemen. Sein Institut erarbeitet mit Studenten pro Semester drei bis vier solche Arbeiten, man würde auch gerne einmal ein Projekt über die Katholische Kirche machen. An Kosten fallen dabei keine Honorare, sondern nur Spesen (für Material, Kopien et cetera) an - im Falle der Studie über die Wiener Evangelische Kirche waren das rund 70.000 Schilling.

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