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Wo bleibt denn bloß der Schnee?

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Diese Frage ist berechtigt, sagte der himmlische Meteorologe, aber sie ist nicht so einfach zu beantworten. Dafür gibt es nämlich mehrere Gründe.

Zuerst einmal ist es die allgemeine Spargesinnung, die auch wir Himmlischen uns zu Herzen genommen haben. Solange kein Schnee fällt, kann bei den Schneeschauflern gespart werden, bei den Salzem, bei den Streuern und sogar bei den Gipsern. Das ist eine schöne Stange Geld, die wir da sparen helfen. Dann schont der Schneemangel die Brieftaschen der Schifahrer, Rodler und Skater, was monetär nicht zu verachten ist.

Und letztlich kann in der Zeit, in der normalerweise sinnlos auf wei-

Gruppengegner

Sie waren mir immer schon zuwider, angeborenerweise. Gruppen jeder Art lösen bei mir bis zum heutigen Tag sofortige Fluchtgedanken aus, und seit den ersten Kindergarten tagen, da man mich ohne Erfolg zum Abmarsch in Zweierreihen motivieren wollte, bin ich ihnen tatsächlich entkommen.

So gingen denn auch Ortsgruppen, Volksgruppen und Gruppenführer spurlos an mir vorüber, was sicherlich kein Schaden für mich, vermutlich auch keiner für jene war. Lerngruppen in der Schule floh ich ebenfalls und nahm eher ein Nichtgenügend in Darstellender Geometrie in Kauf, als meinem Wissen quar- bis septett nachhelfen zu lassen. Als dann das gruppendynamische Zeitalter hereinbrach, sah es mich noch immer solistisch dahinkämpfen, die Nachteile blieben nicht aus, aber ich brauchte keine Selbsterfahrungsgruppe, um mir darüber klar zu werden. Auch dem Mannschaftssport entkam ich ungeschoren, und okkulten Zirkeln, Sparvereinen und Wandervögeln entrann ich ebenso wie Museumsführungen und Seilschaften der politischen und gesellschaftlichen Ebene.

So atmete ich denn frei und als vermeintlicher Einzelgänger fröhlich, bis ich zu einer wahrhaft schrecklichen Erkenntnis kam. Was Erziehern, Lehrern, absoluten Regimen, Psychologen und Parteien nicht gelang - der Werbung wurde es möglich. Ich bin Angehöriger einer Schar, eines Kreises, eines Haufens. Ich gehöre einer Zielgruppe an. Und als Mitglied derselben bin ich vermutlich sogar zum Abschuß freigegeben.

Doch es besteht eine, wenn auch geringe, Hoffnung. Vielleicht läßt sich da noch was dagegen unternehmen. Ich weiß zwar noch nicht genau wie, aber vielleicht frage ich in einer Selbsthilfegruppe an. Herbert Pirker

ßem Untergrund herumgerutscht wird, produktiv gearbeitet werden, ist das nichts?Ich fand das alles wirklich bestechend. Für so ökonomische Denker hab ich die Himmlischen bisher gar nicht gehalten.

Aber der Fremdenverkehr, Devisen und so, der Sport, der Wintersportartikelhandel, leiden die alle nicht sehr unter dem fehlenden Schnee?, versuchte ich leise einzuwenden.

Keine Spur, wurde ich höherenseits belehrt, keine Spur. Der Fremdenverkehr läuft wie eh und je, denn wer nicht wintersportelt, hat mehr Zeit zum Essen, und wer mehr Zeit zum Essen hat, sponsert damit die Gastronomie, und das schlägt sich positiv auf die Bilanz.

Und apropos Sport. Sport bleibt Sport. Und wo kein Schnee ist, da wird er entweder künstlich erzeugt oder vom Gletscher geholt. Für den wahren Sport hat sich immer noch ein Weg gefunden, und wenn man aufs Rasenrutschen ausweicht.

Mit dem Wintersportartikelhandel, da brauchen Sie mir überhaupt nicht kommen. Das Geschäft ist bis Weihnachten gelaufen, daß nachher kein Schnee liegt, das konnte ja vorher niemand wissen. Und das ist auch gut so. Also nur keine Panik. Der fehlende Schnee tut niemanden weh.

Aber die Kinder, die armen Kinder, für die ist doch der Schneemangel die reinste Katastrophe, versuchte ich einen letzten Anlauf.

Na daß ich nicht lache, entgegnete mir mein himmlischer Gesprächspartner. Die Kinder können jetzt endlich das Fernsehprogramm von vom bis hinten auskosten. Bisher hat immer das lästige und anstrengende Schifahren dieses Vergnügen unterbrochen. Jetzt aber ohne Schnee kann es ungekürzt in vollen Zügen genossen werden.

Und das viele Fernsehen tut den Kindern gut? warf ich etwas verärgert ein. Ob gut ob schlecht, solange sie vor dem Fernseher sitzen, fallen sie den gestreßten Eltern nicht auf die Nerven, und das ist auf jeden Fall gut.

Jetzt war ich ruhig, schaute nur mehr erwartungsvoll beim Fenster hinaus und sah, daß die Gänseblümchen schon sprießen.

Sind sie wirklich solche Optimisten, die Himmlischen, oder tun sie nur so, sagte ich zu mir selbst und machte mich auf den Weg, um Palmkätzchen zu pflücken.

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