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Zeitgenosse

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Die Wiener Festwochen sind verrauscht. Auch die kritischen Stimmen beginnen abzuklingen. Dann gab es noch die üblichen Resümees und, da und dort, auch Krokodilstränen für den demnächst abtretenden Intendanten Baumgartner, weniger bewundert als viel gescholten — was wir nicht ganz richtig fanden. Und dann kamen die Nachrufe auf den gleichfalls scheidenden Operndirektor, dem noch einmal seine glücklosen Jahre nachgerechnet wurden.

Aber eines Mannes wurde noch nicht — oder kaum — gedacht, der zwar nicht so sehr im Rampenlicht stand und steht, der aber ein glanzvolles Musikfestprogramm erstellt und für seine klaglose Durchführung gesorgt hat. — Daß er bei den Programmen den Weg des geringsteh Widerstandes gegangen ist, war im Musikverein schon seit vielen Jahren Tradition. Wir meinen die Aussparung der neueren und neuesten Musik. Denn von Zeitgenössischem, wenn auch nicht gerade Avantgardistischem gab es ja im Theater an der

Wien und in der ARENA 76 einige Proben. Im Musikverein war die Losung: vorwiegend 19. Jahrhundert, aber in erstklassigen Aufführungen und mit den bestmöglichen Solisten.

Von irisgesamt 40 angekündigten Konzerten wurden nicht weniger als 38 mit unverändertem Programm und in der angegebenen Besetzung durchgeführt. (Wie es zur Absage der, beiden vorgesehenen Konzerte der Leningrader kam, dafür haben wir an dieser Stelle ja bereits die Gründe genannt und unsere Meinung gesagt). Den Generalsekretär Prof. Alois Moser — denn von ihm soll hier ein wenig berichtet werden — traf keine Schuld. Alois Mosqr also heißt der Mann, der für die Programme und ihre Abwicklung verantwortlich ist. Er bekleidet sein Amt unter dem bescheidenen Titel eines „Generalsekretärs“, der, unterstützt von einem aus etwa sechs Damen bestehenden Büro, diese Riesenarbeit bewältigt. — Hier herrscht, das merkt man sofort, ein gutes „Arbeitsklima“, trotz gelegentlicher nervlicher Belastung durch die Nervenbündel von Künstlern aller Art.

Denn Albert Moser ist ein Herr. Immer beherrscht, freundlich ohne Herablassung und ohne Hang zu Vertraulichkeiten. Er ist kein leidenschaftlicher Redner und hält sich

womöglich im Hintergrund. Aber wenn er einmal auftreten muß, so macht das einen guten Eindruck. Der schlanke, stets sorgfältig angezogene, hochgewachsene Mann ist für die Institution, die er vertritt, auch optisch „repräsentativ“. Das gleiche gilt, wenn wir schon von derlei Dingen sprechen, die heute ein wenig aus der Mode gekommen sind, auch vom Präsidenten der Gesellschaft der Musikfreunde, Herrn Univ.-Prof. Dr. Haschek, den man auch nur selten hinter dem Rednerpult zu Gesicht bekommt (beide sitzen während der Konzerte meist in der Direktionsloge; manchmal geleitet Prof. Moser auch einen Künstler bis zur Tür, die auf das Podium führt).

Doch das sind Äußerlichkeiten. Albert Moser erweist sich vor allem als ein sachkundiger und, was Organisation betrifft, „gestandener“ Generalsekretär. Jahrgang 1920, in Graz geboren, Hochschulstudium der Philosophie und Germanistik durch den Krieg unterbrochen, bereits 1947 Generalsekretär des Stei-rischen Musikvereins Graz und der Festspielgemeinde ebendort, mitbeteiligt an der Gründung der Grazer Sommerspiele, 1958 Berufung als Leiter des administrativen Betriebsbüros an die Wiener Staatsoper unter Karajan, 1961 bis 1963 General-

sekretär der Wiener Staatsoper, 1963 bis 1973 Direktor der Wiener Volksoper (als Nachfolger von Franz Salmhofer), in dieser Zeit insgesamt 52 Premieren, darunter zwei österreichische Novitäten (Erstaufführung von Einems „Der Zerrissene“ nach Nestroy und Uraufführung von Weishappels „König Nicolö“), Neuinszenierungen von „Porgy and Bess“ und „West Side Story“ u. a.

Seit 1972 also ist Albert Moser Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde, und obwohl erst vor kurzem die letzten Festwochenkonzerte stattgefunden haben, liegt der Prospekt für die Saison 1976/77 bereits vor: insgesamt 10 Zyklen von je vier bis acht Konzerten im gewohnten goldenen Einband. — Und auch zu dem für 1978 vorgesehenen Festival, das unter dem Motto .Franz Schuberts 150. Todestag“ stehen wird, ist Direktor Moser schon etwas eingefallen: ein internationaler Schubert-Gesangswettbewerb. Noch eine andere Aufgabe harrt seiner: die teilweise Erneuerung des Hauses. Aber ob es ihm gelingen wird, auch eine Klima-Anlage einzurichten — oder wenigstens eine bessere Ventilation? Das wäre im Interesse vor allem der Festwochenmusiker und -besucher sehr zu wünschen. Denn der Generalsekretär hat nicht nur die künstlerische Führung, sondern auch die geschäftliche der „Gesellschaft“, ist also deren Vermögensverwalter.

Eine wesentliche Modernisierung der Abonnementkonzerte ist von Professor Moser nicht zu erwarten. Doch darüber bestimmt ja vor allem das Publikum. Oder sollte man doch wieder einmal eine Umfrage machen?

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