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Zölibat in Schlagzeilen

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Es scheint Mode zu werden, daß fast täglich ein Priester sich in den Medien zu Frau und Kind bekennt. Ein Kaplan in Wels, ein greiser Mönch zu vier Kindern von verschiedenen Müttern, ein Vorarlberger Kaplan, der zu Frau und Kindern steht - und erstaunlicherweise auch zum Zölibat.

Für einige sind das Helden, für andere Abtrünnige. In Wahrheit geht es um Menschenschicksale, und die Betroffenen verdienen Mitgefühl. Die Priester, weil sie nicht halten konnten, was sie sich vornahmen; Frauen, die Liebe suchen und geben, und dies verbergen müssen; Kinder, die sich nicht aussuchen können, aus welcher Beziehung sie stammen.

Gleichzeitig lese ich, daß Ehe insgesamt in Frage gestellt wird, daß selbst Ehe ohne Trauschein schon das verstaubte Etikett „traditionell" habe, daß der neue Lebensentwurf, JJebe auf Distanz" sei, also Partnerschaft „auf Abruf.

Ob Zölibatskrise und Ehekrise zusammenhängen? Gemeinsam scheint zu sein, daß der Mensch von heute sich immer schwerer zeitlebens an etwas binden will oder kann. Daß in beiden Lebensformen eher gefragt wird „Was gibt mir das?" als „Was kann ich schenken?"

Zölibatäres Leben hat heute zusätzlich seine liebe Not. In der Gesellschaft schwindet das Verständnis für die ehelose Lebensform. Frühere Argumente überzeugen nicht mehr so. Der Zöli-batäre bringt wohl selten größere Opfer als Mutter und Vater in der Familie. Für andere verfügbar zu sein erlernt man oft besser in der Ehe als allein. Ist der Ehelose tatsächlich mehr Abbild der Liebe Gottes? In der Heiligen Schrift wird Gottes Liebe gerade mit dem Ehebund verglichen, nie mit Ehelosigkeit. Was aber dann?

Priesterliche Ehelosigkeit ist kein Kriterium des Glaubens, kann aber nur aus dem Glauben verstanden werden. Als persönlicher Ruf, als Art der Nachfolge Christi, die nicht besser als eine andere ist, aber jemand eigen sein kann. Nämlich auf „Haus und Hof und Weib und Kind" um Seinetwillen zu verzichten.

Da wird klar, wie Zölibat und Armut innerlich zusammenhängen. Ob diese Berufung auch notwendige Voraussetzung für das Priestertum ist, darüber hat die katholische Kirche in der Geschichte unterschiedlich geurteilt. Sie wird dies jeweils neu zu prüfen haben, aber sicher nicht unter dem Druck der Medien oder dem spektakulären Protest einiger. Ehelosigkeit „um des Himmelreichs willen" ist ein von allen christlichen Kirchen geschätztes Gut. Um es verständlicher und glaubhafter lebbar zu machen braucht es heute überzeugendere Argumente als bisher.

Warum macht die Zölibatsdebatte immer noch solche Schlagzeilen? Aus Mitleid? Eher, weil damit ein neuralgischer Punkt in Gesellschaft und Kirche berührt wird.

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