Seligsprechung - © Foto: imago / Kharbine-Tapabor

Thérèse und die Nacht des Nichts

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Am 29. April jährt sich die Seligsprechung der Thérèse Martin, die als „kleine heilige Theresa“ und Therese von Lisieux Eingang in die katholische Volksfrömmigkeit gefunden hat, zum 100. Mal. Die jung verstorbene Ordensfrau wird – weit über ihren Tod hinaus – heute als Kirchenlehrerin verehrt.

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Am 29. April jährt sich die Seligsprechung der Thérèse Martin, die als „kleine heilige Theresa“ und Therese von Lisieux Eingang in die katholische Volksfrömmigkeit gefunden hat, zum 100. Mal. Die jung verstorbene Ordensfrau wird – weit über ihren Tod hinaus – heute als Kirchenlehrerin verehrt.

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Das französische Onlineportal fr.aleteia.org berichtete Anfang des Jahres von Planungen, denen zufolge Papst Franziskus im September zu einem Besuch nach Süd- und Nordfrankreich komme: einerseits zum Abschluss des Treffens der Episkopatsvorsitzenden und Ökumene-Würdenträger der Mittelmeerländer in Marseille (18.–24. September), andererseits zu den Feiern anlässlich des Jubiläumsjahrs der Hl. Thérèse Martin (1873–97), Kirchenlehrerin seit 1997. Das Festjahr gilt dem 150. Jahrestag ihrer Geburt und dem 100. Jahrestag ihrer Seligsprechung.

Franziskus selbst empfing am 14. April Mitarbeiter der italienischen Fluglinie ITA, die aktuell als sein Carrier fungiert, und erwähnte dabei Reiseplanungen. Er sprach von Ungarn, Marseille und der Mongolei; die Termindetails waren jedoch vage; eine zweite Stadt in Frankreich nannte er nicht; die Erwähnung des Weltjugendtags in Lissabon fehlte. Immerhin: Die Chance für eine weitere Frankreich-Destination wäre da, ist aber (mit Stand Ende April) vor allem aufgrund der gesundheitlichen Probleme des Pontifex zugegebenermaßen nicht mehr sehr hoch.

Die große Verehrung des argentinischen Papstes für die Heilige des „kleinen Weges“ ist bekannt. Zuletzt hatte er ihr in der Vorweihnachtszeit eine Katechese gewidmet und auf die außergewöhnliche Weite und Freiheit ihres Glaubens hingewiesen, die so ganz im Gegensatz zur Ängstlichkeit vor dem strafenden Gott stand, wie sie die Kirche ihrer Zeit charakterisierte.

Der Papstbesuch in Marseille – und eventuell Lisieux – wird in Frankreichs in eine Krise gekommene Kirche als Geschenk und Moment des Aufatmens empfunden. Denn die Situation, in der sich die „älteste Tochter der katholischen Kirche“ gerade befindet, ist wenig erfreulich, jagt doch eine Missbrauchs- und Vertuschungsenthüllung die nächste.

Thérèses subtile Kirchenkritik

Wenige Heilige sind im Blick auf Lebenschronologie, Krankheitsgeschichte und Unterscheidung von „ipsissima vox“, späteren Verkürzungen und Uminterpretationen, so gut erforscht wie die französische Karmelitin Thérèse Martin. Sie, ein „religiöses Genie“ (Mitherausgeber Guy Gaucher), mit nur 24 Jahren von Tuberkulose aus dem Leben gerissen, hatte auch großes poetisches Talent. Ihr geistliches Programm beschrieb Thérèse Martin als den „kleinen Weg“.

Trotz der nach heutigem Geschmack blumig-schmalzigen Sprache der französischen Romantik, die sich am Dichter François de Chateaubriand orientierte, erstaunt bei Thérèse eine subtile Kleruskirchenkritik – sei es das Einbekenntnis einer Glaubensnacht und Depression, das Solidaritäts-Teilnehmen am Mahl, das am Tisch der Sünder bereitet ist, der Wunsch nach Predigttätigkeit, Verkündigungsarbeit und Priestertum, die Abneigung gegen den Predigtstil ihrer Zeit, die Ablehnung jeglicher Leistungsfrömmigkeit, ob zwanghaftes Ausharren bei Rosenkranzgebet oder Bußübungen.

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