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Im Unterschied zu Ballungsgebieten gibt es im Waldviertel für Eltern und Kinder bei der Schule kaum Ausweichmöglichkeiten. Das wird zum Problem, wenn bestimmte Vorkommnisse die Beziehungen zwischen einem Lehrer und einem Schüler arg belasten.

Da gibt es beispielsweise in Geras einen Lehrer, der, wenn "rasche pädagogische Maßnahmen vonnöten sind" (wörtliches Zitat), an Ohren und Haaren zieht, Schüler über den Tisch legt und ihnen mit einem Stock über das Gesäß schlägt und auch Ohrfeigen verteilt. Dieser Lehrer ist nicht mehr der jüngste, sodaß er bereits aus manchen Familien die zweite Generation unterrichtet. Nach dem Vater oder der Mutter züchtigt er nun die Tochter oder den Sohn. Nun gilt in der bäuerlichen Bevölkerung des Waldviertels körperliche Züchtigung als notwendiges Erziehungsmittel. Viele Kinder werden zu Hause von den Eltern geschlagen, weder sie noch die Kinder sind daher verwundert, wenn auch der Lehrer entschlossen zuschlägt. Zum Problem werden diese harschen Erziehungsmaßnahmen dann, wenn der Lehrer Kinder schlägt, die aus Familien stammen, die das Waldviertel zur Waldheimat erkoren haben.

Daß Gewalt an Kindern allerdings nicht mehr zu den Tabuthemen gehört, bewies eine Theateraufführung der Volksschulkinder aus Geras. Auf der Bühne wurde von Kindern die körperliche Züchtigung des Lehrers angesprochen. Die Darstellung fand viel Zustimmung, selbst der zuständige Bezirksschulinspektor, der mit den Vorgängen in Geras vertraut ist, war des Lobes voll. Selbst bei vorsichtiger Interpretation läßt sich ein Wandel im Umgang mit Kindern feststellen.

Doch nicht nur im weltlichen Unterricht sind Schwierigkeiten wahrnehmbar, sondern auch im Fach Religion. Ein Priester, der, weil er dringend in einen Nebenort muß, um die Messe zu lesen, am Wochenende ein Kind in einem Dorf niederstößt, danach das Kind bei den Eltern mit den Worten "es ist ihm eh nichts geschehen" abgibt, weiterfährt und sich nicht mehr um das Wohl des Kindes kümmert, hat die grundsätzlichen Regeln zwischenmenschlichen Verhaltens nicht verstanden.

Eine Englischprofessorin im Gymnasium Horn, die alle österreichischen weiblichen Wesen zusammenpacken möchte, um mit ihnen nach England auszuwandern, möchte man für eine begeisterte anglophile Dame halten. Nur wenn sie hinzufügt, alle österreichischen Männer gehörten zurückgelassen und in deren Mitte gehöre eine Bombe gezündet, läßt sie erkennen, daß ihr Rollenbild nicht zur Nachahmung empfohlen werden kann.

Wer meint, ein Lehrer, der schlägt, ein Priester, der sich um das Schicksal des Kindes nicht sorgt, oder eine mit markigen Sprüchen auftrumpfende Professorin würden für Beunruhigung sorgen, irrt. Was dem Waldviertel - und nicht nur diesem - fehlt, ist eine Konfliktkultur, die Trennendes und Verbindendes darzustellen vermag und dennoch ein friedliches, aber auch sinnliches Zusammenleben gestattet. Da jedoch im dörflichen Bereich das Trennende und das Verbindende nicht dargestellt werden können, ohne im entzweienden Krach zu enden, vermag auch die Schule solche Aufgaben kaum zu erfüllen. Angesichts von Sparpaketen sind Überlegungen, wie Schulen als Trendsetter und Wegbereiter in einer letztlich hartherzigen und scheuklappenbehafteten Gesellschaft zu führen sind, müßig. Solch harte Worte fand vor wenigen Tagen ein Priester mutigerweise am offenen Grab, als ein Bauer, der Selbstmord begangen hatte, zur letzten Ruhe gebettet wurde. Der Priester konnte nicht verstehen, daß eine Gemeinschaft über viele Jahre hinweg konsequent den miserablen psychischen Zustand eines Mitmenschen nicht wahrnehmen wollte.

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