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Ho-Ho-Hodisdiul-Didaktik

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Der Parteivorstand der SPÖ hat das von sozialistischen Experten und Studenten ausgearbeitete Hochschulkonzept einstimmig angenommen. In der äußeren Form an Wittgensteins „Tractatus logico-philoso- phicus“ orientiert, will dieses Programm eine radikale (und das steht nicht zwischen Anführungszeichen) Reform der bestehenden Universität bewirken. Bereits die als „Perspektiven“ bezeichnete Einleitung läßt keinen Zweifel am Ziel dieser Neugestaltung. Da „die traditionelle Universität der bürgerlichen Gesellschaft primär auf die Produktion von guten Staatsdienern konzentriert war“ — kurz die Funktion „der Hochschule bisher stets die Erhaltung des jeweiligen Gesellschaftssystems“ war —, kämpft man für einen Wissenschafts- und For

schungsbetrieb, „der frei von den Interessenszwängen der privaten Profitwirtschaft isit“ sowie für „die Aufhebung des Klassencharakters der Erziehung“.

Spitze des Konzils

Als richtige Ansatzpunkte für eine Reform der dahinsiechenden hohen Schulen wurden „die mangelnde Effizienz der Verwaltung, die den Anforderungen eines Großbetriebes nicht mehr gerecht zu werden vef- mag“, die „mangelnde Rationalität in bezug auf Einsatz und Verwendung finanzieller Mittel“ sowie die „Unbeweglichkeit der Entscheidungsgremien“ erkannt.

Die Gliederung in ein dreistufiges Modell, wobei das Institut „die organisatorische Grundeinheit“, die Fachbereiche die „mittlere institu

tionelle Ebene der Universtät“ sind und die Spitze vom Konzil, dem Universitätspräsidenten und Vorstand gebildet wird, ist zu begrüßen, da diese Organisationsform dazu geeignet erscheint, den Abstand zwischen Lehrenden und Lernenden zu verringern. Zum Vorteil der Studenten könnte es auch gereichen, wenn „der Grundsatz, daß wissenschaftliche und didaktische Fähigkeiten die entscheidenden Kriterien für eine Tätigkeit an der Universität“ als Lehrender zu sein haben, verwirklicht würde.

Weitere Neuerungen sind die Berufung auf Zeit, die Vereinfachung des Berufungsverfahrens, Verwirklichung des Tutorensystems sowie die Einrichtung eines „Forschungsjahves“, das dem Universitätsprofessor „innerhalb eines Zeitraumes von

sechs Jahren“ ein Jahr lang „unter Beibehaltung der Bezüge“ die ausschließliche Beschäftigung mit Forschungsarbeiten ermöglicht.

Zentralstück des Reformkonzeptes ist allerdings die „Hochschuldidaktik". Und gerade hier ist der Einfluß der neuen Linken besonders spürbar. Bisher bestand ein „immer strikter werdendes System von Vorschriften, Druck und Zwängen“, man lebte mit einem „Zwang zum Lernen“. Dem soll durch „Abbau von Angst, Leistungsdruck und irrationalen Autoritäten“, durch eine völlige Abschaffung des derzeitigen Prüfungssystems („jede Leistungskontrolle des Studenten ist zugleich Leistungskontrolle der Lehrenden“) begegnet werden. Weiters werden Gesamtprüfungen abgelehnt, denn „die eindimensionale, scheinobjektive Notenskala ist unzureichend“ und es „sollte so weit als möglich überhaupt von einer Benotung Abstand genommen“ werden. Daneben fordert das Hochschulkonzept eine weitgehende Freiheit des Studenten, seine Studien selbst auszuwählen und zusammenzustellen, „eine Konzentration statt Zersplitterung der

Interessen", keine Fachorientierung, sondern Problemorientierung.

Letztlich wird „das Studium irregulär zum Normalstudium“ proklamiert. Das erscheint kühn, zumindest so lange, als die Gesellschaft — und das ist die Gesamtheit der Menschen — auf im „Noimalstudium“ ausgebildeten Technikern, Medizinern, Juristen und Lehrern basiert. Es sei denn, man spricht von Hochschulreform und meint eine der Gesellschaft. Helmut Schelsky, der Nestor der deutschen Universitätsreformer, meint: „Der Weg, den die Universität in Zukunft nehmen wird, hängt sicherlich in erster Linie von der geistigen und sozialen Gestaltungskraft ab, die die Männer der Wissenschaft und Politik ihr gegenüber aufbringen.“

Mit diesem Konzept hat man die wider den Stachel lockenden sozialistischen Studenten „heim in die Partei“ geführt. Die Konzessionen, die man dieser Gruppe machte, beweisen es. Hat man aber in der SPÖ bedacht, daß man dadurch die Universität in eine Ho-Ho-Hochschule umfunktioniert?

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