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Kreativ per Erlaß

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Die Situation der Vermittlung von Rildnerischer Erziehung in den Hauptschulen und den Allgemeinbildenden höheren Schulen ist schlimm. Dies bestätigt die Studie „Kunstvermittlung. Ein Auftrag” von Renate Goebl nicht nur, sondern sie legt noch ein Schäuferl nach, sodaß sich die Frage aufdrängt: Will sich Österreich von der Kunstvermittlung im Sinn einer gleichermaßen emotionalen wie intellektuellen Auseinandersetzung mit künstlerischen und visuellen Phänomenen verabschieden?

Historisch betrachtet hat die Bildnerische Erziehung ein traditionelles Imageproblem, das dadurch entsteht, weil einerseits der Wunsch nach Integration und damit verbundener Wertschätzung im System Schule gegeben ist, und andererseits Gefallen daran gefunden wird, an der Oppositionsrolle der Kunst, die sich allerdings immer weniger an der aktuellen Kunst orientiert, zu partizipieren. Seit 1962 ist die Re-zeichnung „Rildnerische Erziehung” gültig, an der der gestalterische Aspekt deutlicher ablesbar ist, wenn auch im allgemeinen Sprachgebrauch an der Schule nach wie vor „Kunsterziehung” gängig ist. Dadurch kommt es zu einer Dominanz der eigenen ästhetischen Arbeiten der Schüler, was zu einer Einengung auf nur einige Medien führt und zur Reduktion der Fragestellungen.

So bleiben Architektur, Design und auch andere neue künstlerische Medien weitgehend ausgegrenzt, interdisziplinäre Rezüge sind schwerer herzustellen. Entsprechend dem kulturellen Bildungsanspruch der Lehrpläne für Bildnerische Erziehung hat die schulische Kunstvermittlung den Schülern ein breites Spektrum an Zugangs- und Analyseangeboten zu bieten, das den selbständigen Umgang mit visuellen Medien aller Zeiten entwickeln hilft.

Renate Goebl kommt zum Schluß: „Daß die Verantwortung für Kreativitätsförderung per Erlaß auf mehrere Gegenstände verteilt wurde, empfinden die meisten Bildnerischen Erzieher nicht als Aufwertung des musischen Prinzips oder als Entlastung der Bildnerischen Erziehung, die mehr Raum für neue Aufgaben bringt, sondern vielmehr als neuerliche Bedrohung des eigenen Gegenstands.” Das bedeutet auch, daß sich die Rildnerische Erziehung von der aktuellen Entwicklung der Kunst völlig abgekoppelt hat.

Resonders negativ wirkt sich die niedrige Rewertung der Lehrer für Rildnerische Erziehung in den AHS aus. Im zunehmenden Maße kommen „Ungeprüfte” (ohne Lehramtsprüfung) zum Einsatz, was dazu führt, daß die fachlichen Qualifikationen nur mangelhaft erfüllt werden. Durch diese Praxis wird ein niedrigeres Sozialprestige erreicht. Darin ist eine der Ursachen für die (negative) Sonderstellung der Lehrer für Rildnerische Erziehung an den AHS zu sehen.

Verschärft wird die Situation noch durch das vage Gegenstandsprofil und die geringe Lehrplanverbindlichkeit. Die Studierenden haben ein eingeschränktes Rild des zu unterrichtenden Gegenstands, ein konservatives Kunstverständnis und mangelnde Kunstgeschichtekenntnisse. Sie bringen ihre eigenen schlechten Erfahrungen ins Studium mit und verändern zumeist nicht wesentlich ihr Bild des zu unterrichtenden Faches. Nicht selten schwebt ihnen eine Künstlerkarriere vor, was das geringe pädagogische Interesse der Künstler-Lehrer, die in ihrer Ausbildung nur mangelhaft auf die Unterrichtserfordernisse vorbereitet werden, verständlich macht.

In den siebziger Jahren wurden die kulturpolitischen Ziele auf das „kulturelle Verhalten” der Bevölkerung gerichtet, da galt es die „kulturelle Unterversorgung” und das „mangelnde Kulturbewußtsein breiter Bevölkerungsschichten” zu beseitigen. Der entsprechende Maßnahmenkatalog 1975 kündigte unter anderem eine Verbesserung der musischen Erziehung im Schul- und Vorschulalter an.

In der Regierungserklärung von 1987 heißt es, daß „unsere Gesellschaft auf die Kulturschaffenden angewiesen ist, ihre Sensibilisierung und das Einbringen des Kreativen braucht”. Auch von der Notwendigkeit, „die Kunst weiten Revölke-rungskreisen zugänglich zu machen”, ist die Rede. Diese kulturpolitischen Ziele wurden nur mangelhaft erreicht. Der zur Zeit herrschende Einsparungsdruck wird die Verhältnisse nicht verbessern.

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