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Mängel können behoben werden

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Regionale Tradition, die Massierung bestimmter .sozialer Gruppen .(..Arhei-terpfarren ), die Entfernung zwischen Wohnort 'und Gottesdiens'tsfätre und sonstige pfarreigene Einflüsse bestimmen weitgehend den Anteil der Gottesdienstbesucher an der Gesamtzahl der in der Pfarre siedelnden Katholiken. Unabhängig wn den gegebenen Bedingungen, die je Pfarre analysiert werden müßten2, zeigt jedoch die Untersuchung von Bodzenta, daß Mängel in der Seelsorge vorhanden sind, die man als reparabel bezeichnen kann:

1. Die Betreuung der Jugend in den Pfarren ist unzureichend und wird unzureichend bleiben, wenn man nicht mehr als bisher die jungen Menschen in einer Vielfalt von Gruppen durch Laien führen läßt. In manchen Pfarren fehlt jede über den Gottesdienst hioaus-gehende Jugendpflege. Ganz besonders arg ist es im Altersbereich der Jungmannschaft.

2. In der Arbeiterschaft sieht man weitgehend noch einen „Nicht-Stand“. Der Mittelstand wird als der „katholische Stand“ angesehen, eine Auffassung, die sich auch in so manchen katholischen Sozialmodellen niederschlägt. Arbeiterpfarren in den ländlichen Industriezonen werden so geführt, daß sich nur die wenigen in der Pfarre ansässigen Bauern angesprochen fühlen können. Wenn sich die Seelsorger sogar noch parteipolitisch engagieren, protestieren die Arbeiter durch Absenz.

3. Die Verweiblichung des katholischen Lebens in manchen Pfarren ist bedenklich und fordert den Männern ein Allzuviel an Prestigeverlusten ab.

Volle Kirchen täuschen oft. Zieht man die Angehörigen gewisser Altersschichten ab, würde eine Kapelle ausreichen, um den Rest aufzunehmen.

4. Die Sonderseelsorge erweist sich nicht durchweg als eine Unterstützung der pfarrlichen Seelsorge. Das gilt auch für den Seelsorgebereich der Mittelschule. Einige Religionsprofessoren betrachten sich lediglich als Kultbeamte und sehen in der Religion einen „Gegenstand“. Daß die Betreuung der katholischen Mittelschülerorganisationen auch ein Teil der Seelsorge ist, wird bestritten

5. Die Kirche, verstanden als organisatorisches Gebilde, ist zuvorderst in der Pfarre eine Wirklichkeit, .we^n auch .Äe,. Summe aller Pfarren' noch nicht “äie Kircrror-daf? stellt! 'Nun ist, organisatorisch, jede Pfarre einem „Betrieb“ vergleichbar. Wie wenige Pfarren wurden aber hinsichtlich der Betriebsbedingungen analysiert! Nicht selten sieht man eben die Pfarre durch die Kirchenbesucher repräsentiert und begnügt sich mit der Konservierung der „frommen“ Seelen, deren Frömmigkeit nicht selten ein Index ihres Alters ist.

Die Führungsgremien in den Pfarren sind meist unzureichend besetzt, vor allem, wenn der Pfarrer sich als Patriarch fühlt und Laien als „Nichtsachkundige“ disqualifiziert.

Die religiöse Praxis in einer Pfarre darf nicht ausschließlich von der Qualität der in der Pfarre tätigen Seelsorger abhängen, von ihrem Enthusiasmus und ihrem organisatorischen Können oder den Ausstrahlungen ihres Charisma. In einzelnen Pfarren fehlt eine Führungskonstante aus Priestern und Laien, die von den persönlichen Qualitäten einzelner nicht völlig abhängig ist.

Die Untersuchungen von Doktor Bodzenta zeigen, daß einzelne Pfarren einen Kirchenbesuch haben, der unter zehn Prozent liegt. Bedürfte es angesichts solcher Zahlen nicht besonderer pastoraler und pfarrspezifischer Einsätze, um den Skandal zu beseitigen, daß inmitten eines Landes, dessen Kirche trotz allem ein hohes menschliches und auch finanzielles Potential hat, in einzelnen Regionen der „Geist ausgelöscht“ ist? Das Registrieren allein bedeutet Resignieren.

Die von Dr. Bodzenta publizierten Zahlen bilden einen wertvollen Ansatz zu einer Analyse der Kirche in Österreich, soweit sie ein Geflecht von meßbaren Daten ist. Über das nunmehr Vorliegende hinaus wäre freilich eine Totaluntersuchung, eine zahlenmäßige Aufgliederung in allen Pfarren, notwendig und nicht nur eine Repräsentativerhebung.

Mehr noch: Gäbe es nicht die Möglichkeit der alljährlichen Herausgabe eines Katholischen Jahrbuches, um im Zeitvergleich Messungen anzustellen?

1 DIE KATHOLIKEN IN ÖSTERREICH. Von Erich Bodzenta. Verlag Herder, Wien, 1962. 94 Seiten. Preis 48 S.

• Siehe W. S u It. Reils; iösc Praxis in einer Großstadtpfarre, Bericht Nr. 25. 1957, herausgegeben vom Internationalen Katholischen Institut für Kirchliche Sozialforschunj.

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