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Ruhestand heißt nicht Verweilen im Ruhezustand

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Seniores wurden im Rom der Antike die älteren Kriegspflichtigen genannt, die Fünfundvierzig- bis Sechzigjährigen. Senior ist der Komparativ, die Steigerung des Adjektivs senex (— bejahrt, alt) und heißt reifer.

Im heutigen Sprachgebrauch verlagerte sich die Bedeutung dieses Adjektivs auf ein drittes Lebensalter, das mit dem Erreichen des sechzigsten Lebensjahres aber oft auch mit dem Eintritt in den Ruhestand angesetzt wird. Daß Ruhestand aber nicht unbedingt ein Verweilen im Nichtstun heißt, beweisen Legionen von Senioren, die in ihrer Pension (Pension kommt vom lateinischen pensio,-onis f., Zahlung), endlich das tun können, wofür ihnen während ihres Angestellten- bzw. Arbeiterdaseins keine Zeit geblieben ist.

Bespielhaft dafür ist der Verein Wiener Seniorenzentrum (WSZ), angesiedelt in Werkstätten und Kultur (WUK), an dessen Spitze Walter Hnat, im besten Wortsinne agiert. Hnat, der erste Obmann und „Vater" des WUK, hat sich nach erfolgreichen Aufbauarbeiten des WUK nach einigen Jahren aus dem Vereins vorstand zurückgezogen, um jedoch wieder einen neuen Binnenverein, das WSZ zu gründen.

Ein Zwölf-Stunden-Arbeitstag sind für Hnat und seine Mitarbeiterin Erika Kysela seit der Gründung des Vereins vor fast zwölf Jahren keine Seltenheit, denn die zahlreichen Aktivitäten wollen organisiert sein. Wöchentlicher Montagtreff, jeden Dienstag Videoclub für Freunde des Opern- und Musiktheaters, Mittwoch bis Freitag Handarbeitsrunden, Töpfern und „Schach für alle" stehen auf dem dichten Terminkalender des WSZ.

1400 Mitglieder im Alter von 55 bis 93 Jahren zählt Walter Hnat zu seinem Verein, die meisten davon sind Akademiker und pensionierte Beamte. Mitglied kann jeder werden, nicht nur Pensionisten. So bietet der ehemalige Sozialarbeiter auch Hilfe für jene an, die etwa im Alter von 45 Jahren ihre Arbeit verloren haben oder für jene die unvorhergesehen in Frühpension geschickt werden. Zahlreiche Veranstaltungen bieten Vorbereitungen für den Ruhestand. Daneben werden auch Sprachkurse, Kurse für Lern- und Gedächtnistraining angeboten. Einmal initiierte er sogar eine Studie über das Erlernen von Fremdsprachen im Alter, denn ältere Menschen haben ein anderes Lernverhalten als junge Menschen.

Im Laufe seiner Tätigkeit konnte der Leiter des WSZ einen Einblick in das Freizeitverhalten Pensionierter gewinnen. „Frauen haben eine andere Art, ihre Zeit zu verbringen", so Hnat, denn achtzig Prozent der Mitglieder sind Frauen. So werden auch die Kulturveranstaltungen meistens von Frauen frequentiert. Denn „Männer", so Walter Hnat, „verbringen ihre Freizeit lieber in Gaststätten".

Ohne Entgelt treten immer wieder kleine Musikgruppen auf, einmal in der Woche kommt der Videoclub zusammen, wo Opernaufführungen auf Video verfolgt und diskutiert werden können. Für die sportlich Interessierten stehen wöchentlich Schwimm-und Tanzkurse auf dem Programm.

Einmal im Monat gibt Walter Hnat die Vereinszeitung, „Das kleine Blatt" heraus, in dem die monatlichen Veranstaltungen des WSZ angekündigt werden, aber auch Hinweise auf Theateraufführungen und Konzerte gegeben werden, für die über das WSZ günstigere Karten zu beziehen. Seniorenführungen in diversen Museen werden angegeben.

Daß bei einem so breitgefächerten Programm auch Hinweise auf Literaturveranstaltungen nicht fehlen dürfen, versteht sich fast von selbst. Wer indes vermuten möchte, daß sich die ältere Generation ausschließlich für Trivialliteratur interessiert, der irrt, denn Hnat verweist in seinem Blatt auf Lesungen von Autoren wie H.C Artmann ebenso, wie etwa auf eine Diskussion über Elfriede Jelineks jüngstes Buch. Am attraktivsten sind dabei meist Veranstaltungen im Li terarischen Quartier in der Alten Schmiede.

Außerhalb der monatlichen Mit teilung gibt es noch diverse Program me von kulturellen Events, die an be stimmte Zielgruppen verschickt wer den. Ein Fragebogen über das bevor zugte Genre oder Theater ermöglicht ein selektives Vorgehen bei den Aus Sendungen.

10 Kulturfahrten im Jahr führen über den Wiener Raum hinaus und sind oft bereits Wochen vorher aus gebucht. Für die fast schon traditio nelle Fahrt nach Litomysl zum jähr liehen Smetaha-Festival mußten heuer sogar zwei Reisen geplant wer den.

Wer mehr über das Wiener Seni orenzentrum erfahren will, kann mit Walter Hnat bei der Seniorenmesse senior aktuell von 19.-23. März Tag lieh von 9 Uhr 30 bis 18 Uhr in der Wiener Stadthalle auf dem Stand des Wiener Seniorenzentrums sprechen.

Information:

Wiener Senioren Zentrum im WUK Walter Hnat, Erika KyselaWähringer-Straße 59, Stiege 5,1. Stock UnksTeL: 0222/408 56 9 in der „goldenen Stadt" als „Sonntagski".

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