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Wir waren selbst Rinder
Euch geht es ja viel zu gut!" -wie oft wird das mit vorwurfsvoller Stimme Kindern gesagt. „Was ihr alles bekommt, davon hätte ich als Kind nicht einmal zu träumen gewagt!" In der Tat ist das Angebot etwa an Spielsachen reichhaltig wie nie zuvor und auch für weniger begüterte Menschen erschwinglich. Betritt man ein Kinderzimmer, staunt man nicht selten über die Fülle an Spielen, Puppen, Stofftieren, Büchern. Oft dürfen auch Computerspiel, Fernseher oder Stereoanla ge nicht fehlen. Fragt der Besuche] das Kind aber nach dem Lieblings Spielzeug, bekommt er nur eine va ge Antwort. Kaum etwas hat besondere Bedeutung. Verliert das Kind etwas, kann es leicht ersetzt werden. Und geht man mit einem Kind in den Supermarkt, bedient man sich selber, greifi einfach zu.
Darf ich mich da noch wundern wenn Kinder „lästig" sind beim Besuch solcher Geschäfte und erst „eine Ruhe geben", wenn sie alles bekommen haben, was sie sich wünschen? Dies betrifft besonders das Überangebot an Süßigkeiten. Ks fällt nicht schwer, Kinder damil zu verwöhnen. Die Schatten, die solche schlaraffenlandähnlichen Zustände werfen, sind jedoch meiner Meinung nach erdrückend -nicht nur der schlechten Zähne wegen. Kinder darum zu beneiden daß sie sozusagen alles haben, was das Herz begehrt, liegt mir fern. Denn Hand in Hand damit geht nicht selten Orientierungslosigkeit
Wenn man dazu bedenkt, wie viele im Grunde einsame Kinder e heute gibt, weicht Neid der Nachdenklichkeit, dem Bedauern oder sogar der Wut, angesichts der vielen psychisch oder physisch mißhandelten Kinder, von denen die Zeitungen gegenwärtig berichten. An der Existenz dieser Grausamkeiten zu rütteln, ist mühsam und scheint oft aussichtslos. Aber sollten wir nicht viel eher dafür wach sein, Kinder mit Zuwendung und Gerechtigkeit zu verwöhnen, statt mit Zuckerln und Videos? Materieller Wohlstand ist notwendig und jedem zu wünschen, aber damit er fahre ich oft auch etwas Hartes, Herzloses, Kaltes. Sollten wir Kindern nicht unsere kostbare Zeit zum Geschenk machen? Ihnen zuhören, ihre Anliegen zu den unseren werden lassen?
Wir waren doch selbst Kinder, das vergessen wir so leicht...
Die Autorin ist
Schauspielerin in Wien
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