Alfred Winter, der Ebenenschwimmer

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Alfred Winter, ein umtriebiger Kulturpolitiker in Salzburg, ist ein Gründer und Brückenbauer. Er gründete die "Szene der Jugend" und brachte 73 Nobelpreisträger ins Land.

Manche nennen ihn den Ebenenschwimmer. Wie wenig anderen gelingt es ihm, Menschen aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft zueinander zu bringen, ihnen Visionen zu entlocken und gemeinsam umzusetzen. Oft war er dem gängigen Zeitgeist voraus, wurde belächelt oder einfach ignoriert. Mit der ihm eigenen charmanten Hartnäckigkeit hat er sich jedoch stets durchgesetzt. Alfred Winter ist einer jener in der Provinz, der viel bewegt und Bleibendes geschaffen hat. Seine Lebensgeschichte ist ebenso ungewöhnlich wie die Projekte, die er in Stadt und Land Salzburg initiiert hat.

Begonnen hat alles in der Gewerkschaftsjugend und mit Franz Olah. Der mittlerweile 99-jährige ehemals mächtige Gewerkschaftsboss, der von den eigenen Leuten fallen gelassen und dem der Prozess wegen ungeklärter finanzieller Vorgänge im Zusammenhang mit der Gründung der Kronen Zeitung gemacht wurde, faszinierte den damals 18-jährigen Reprotechniker der Salzburg Druckerei, der sich in der grafischen Gewerkschaftsjugend engagiert hatte. Als Olah von der SPÖ fallen gelassen wurde, schrieb ihm Alfred Winter und regte die Gründung einer eigenen Partei an. 1964 wurde die Demokratische Fortschrittliche Partei (DFP) Franz Olahs in Salzburg unter abenteuerlichen Umständen in der Lieferinger Wohnung Alfred Winters aus der Taufe gehoben. Zufällige war an diesem legendären Abend der damaligen Jungjournalist Gerhard Steininger von den Salzburger Nachrichten anwesend, der den Vorgängen rund um die kleine Gruppe Jugendlicher um Franz Olah einen ganzseitigen Bericht widmete. Daraufhin gab es kein Zurück mehr: Olah trat bei den Nationalratswahlen 1966 an und erzielte mit 147.000 Stimmen einen Achtungserfolg, der aber für einen Einzug in den Nationalrat nicht reichte. "Nach dem jetzt gültigen Wahlrecht hätte er es geschafft", sagt Winter heute und leises Bedauern schwingt noch immer mit.

Die 68er wurden in den 70ern nachgeholt

Salzburg hechelte in den 1960er Jahre der Modernität ebenso nach wie die gesamte Alpenrepublik, in der sich die 68er Jahre erst in den 70er manifestieren sollten. Winter und seine Freunde jedoch waren ihrer Zeit voraus. Sie gründeten bereits 1967 den "Club 2000", eine Jugendinitiative mit vielgestaltigen Aktivitäten: Man organisierte Ausstellungen, Literaturabende, Musikveranstaltungen, regelmäßige Vortrags- und Diskussionsreihen mit Politikern, Philosophen und Unternehmern. Es gab Demos für den Umweltschutz. Das erste Jugendfestival kam 1969 zustande und man brachte das Festspielschutzgesetz zu Fall, das Veranstaltungen während der Festspielzeit in Salzburg untersagt hatte. Der "Club 2000" führte Winter schließlich 1971 zur Gründung der "Szene der Jugend", die er bis 1981 leitete und die heute weiter als "Szene" besteht. In der "Szene der Jugend" - das Festival der schmalen Brieftasche - traten die damals jungen Künstler Friedrich Gulda, Karl Merkatz, Gustav Kuhn, Oskar Werner, Peter Ustinov u. v. a. auf. Um die "Szene der Jugend" finanziell abzusichern, setzte Winter sein Haus als Hypothek ein. Dies riskierte er Jahre später noch einmal, als es auf seine Initiative zur Gründung des Tauriska-Festivals und das dazugehörigen Veranstaltungszentrums Kammerlanderstall im Nationalpark Hohe Tauern kam.

Die "Szene der Jugend" lag mit den elitären Festspielen im Dauerclinch. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen mit dem damaligen Festspielpräsidenten Josef Kaut. Dessen O-Ton über die Szene: "So ein Scheißdreck". Gemeint waren damit u. a. "Marga 70", eine Galerie im Freien, die Theatergruppe "Les Marquis" mit Jack Grunsky und Karl Merkatz sowie Aktionen wie "Picknick im Freien", der "Jedefrau - Spiel vom Kind unserer Zeit", mit der die Szene den Salzburger Säulenheiligen "Jedermann" angriff. Prozesse, Verbote, Proteste prägten die Anfangsjahre der "Szene der Jugend", bis sie sich endlich durchgesetzt hatte.

Start für die Landesausstellungen

Das war auch der Zeitpunkt für Alfred Winter, sich neuen Ideen zuzuwenden. Anfang der 1980er Jahre begann er mit der Organisation von Landesausstellungen in Salzburg und landete mit der Keltenausstellung in Hallein (1980) einen Sensationserfolg: 380.000 Besucher kamen in die Salinenstadt zur Schau. Diese sollte für Winter zu einer schicksalhaften Begegnung führen. Der Umtriebige lernte auf diesem Weg den Philosophen Leopold Kohr kennen. "Er hat mir in unzähligen Abenden bei Whisky und Crackers seine Ideen über "small is beautiful" beigebracht. Dabei geht es nicht um die bloße Frage von Größenordnungen, sondern darum, was dem menschlichen Maß entspricht", stellt sich Winter jenen entgegen, die Kohrs Philosophie eindimensional interpretieren wollen.

Kohrs Ideen inspirierten Winter in einem ungeahnten Ausmaß: Er gründete die Goldegger Dialoge (1982), die sich alljährlich medizinisch-philosphischen Fragen widmen, gemeinsam mit Peter Csobádi und Peter Mittermayr die ISA (International Salzburg Association) und schließlich Tauriska, eine Begleitkonzept zur Verwirklichung des Nationalparks Hohe Tauern, bei dem es vor allem darum geht, dass die Menschen im Nationalpark sich nicht als begaffte Museumsbewohner fühlen müssen, sondern dass der Nationalpark ihnen die Grundlage für eine eigenständige Existenz bietet.

Dazwischen stellte Alfred Winter seinen eigenen Verlag auf die Beine und veröffentlichte Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die von den etablierten Verlagen in Salzburg abgelehnt wurden: Walter Kappacher, Marie-Thérèse Kerschbaumer, Erwin Einzinger - um nur einige zu nennen. Eng verbunden ist Winter mit dem Gründer des Alternativen Nobelpreises, Jakob von Uexküll. Vor vier Jahren organisierte er in Salzburg das Jubiläumstreffen 25 Jahre Alternativer Nobelpreis mit 73 Preisträgern.

Neuer Brückenschlag zur Geschichte

Die Politik ließ Winter nie wirklich los. Von 1999 bis 2004 war er ÖVP-Gemeinderat in der Stadt Salzburg und stellte die Kulturförderung auf neue Beine. In der ÖVP galt er stets als bunter Vogel, dessen Blick weit über die Parteigrenzen hinaus reichte. Was Winter bewegt, sind die Dinge, die er bewegen kann, nicht enge Strukturen. "Ich will, dass etwas zustande kommt. Menschen in ihren Lebenssituationen begegnen und ihren wirklichen Bedürfnissen nachspüren. Und ich weiß, wenn Du Dich nicht selbst engagierst, dann wird nichts", meint Winter auf die Frage, was ihn antreibt. Seine Lebenshaltung hat er stets versucht auch jenen Menschen einzupflanzen, mit denen er seine vielfältigen Projekte verwirklicht hat.

Und noch immer ist Winter umtriebig. Derzeit beschäftigt ihn die letzte Hexenverbrennung in Salzburg in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Anfang August soll ein Theaterstück einer Mühldorfer Gruppe, die sich dieses dunklen Kapitels der katholischen Kirche annimmt, im Salzburger Rainbergkeller aufgeführt werden. Zeitgleich soll es zu einer historischen Erklärung des Salzburger Erzbischofs zu den dunklen Flecken der Vergangenheit kommen, kündigt Winter an. Womit dem Ebenenschwimmer wieder einmal ein Brückenschlag gelungen wäre.

* Die Autorin ist Journalistin und Kommunikationsberaterin in Salzburg

Kulturpolitiker

Alfred Winter, geb. 1946 in St. Georgen (NÖ). Gelernter Chemograf und Reprotechniker. Seit 1985 Beauftragter des Landes Salzburg für kulturelle Sonderprojekte, verheiratet mit Julia, zwei Töchter.

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