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Metropole der Gastfreundschaft

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Seit mindestens einem Jahrtausend ist Wien eines der beliebtesten städtischen Ziele europäischer — in der Neuzeit auch außereuropäischer — Reisender. Dazu prädestinieren es nicht nur seine verkehrsgeographische Lage, sondern auch ein günstiges Klima und eine von der Natur verschwenderisch ausgestattete Landschaft. Alten Zeugnissen ist zu entnehmen, daß unsere Donaustadt schon im frühen Mittelalter eine verhältnismäßig große und elegante Stadt war, der zahlreiche Fremde ein internationales Gepräge gaben.

Als Haupt- und Residenzstadt des österreichischen Vielvölkerstaates intensivierte Wien diese Tradition, gewann an räumlichen und geistigen Dimensionen und sammelte jene Fülle an Kunstschätzen, die jeder Besucher bestaunt. Die Weltausstellung 1873 brachte einen Touristenstrom nach Wien, der einen Höhepunkt des Reiseverkehrs der damaligen Welt darstellte und sich 'bis 1914 in den Besucherzahlen auswirkte.

Freilich hat die Gründerzeit in gefährlicher Überschätzung momentaner wirtschaftlicher Gewinne das soziale Problem vernachlässigt, was auf die Dauer auch dem Fremdenverkehr abträglich geworden wäre: besucht man doch nicht gerne eine Stadt der Elendsviertel hinter

Prunkfassaden! Daher ist verständlich, daß das Wien der Ersten Republik, ganz in Anspruch igenommen von den epochalen Aufgaben des sozialen Wohnbaus oder des Gesundheits- und Schulwesens, dem Fremdenverkehr zunächst nur wenig Aufmerksamkeit widmen konnte. Paradoxerweise war es die Weltwirtschaftskrise, die ein Ansteigen der Besucherzahlen Wiens brachte. Während nämlich die Fabriken Stillständen, sah man im Fremdenverkehr eine letzte Hoffnung, etwas Geld unter die Leute zu bringen.

Der zweite Weltkrieg hinterließ Wien in einer Verfassung, der in der Welt keinen Anreiz darstellte, der Stadt einen Besuch abzustatten: Schutt und Ruinen, alliierte Besetzung, Demarkationslinien am Semmering und an der Enns! Die langen Jahre der Isolierung Wiens bedeuteten eine ungeheure Gefahr, nicht zuletzt für die Fremdenverkehrswirtschaft. Wien, ja ganz Ostösterreich leidet noch heute an den Folgen der Jahre 1945 bis 1955. Nicht zuletzt darum hat sich Wien bereits dreimal um Olympische Sommerspiele beworben, die ganz Österreich wertvollste fremdenverkehrswirtschaftliche Impulse gebracht hätten!

Mit dem bisher Erreichten dürfen wir dennodi zufrieden sein. Daß von Seiten der Stadtverwaltung rechtzeitig alles Nötige getan wurde, zeigt unter anderem die Tatsache, daß bereits in der Saison 1954/55 die höchsten Besucherzahlen der Ersten Republik überholt werden konnten. Die Stadt Wien hat die Vermehrung und Modernisierung des Hotelbettenstandes und der Gaststätten durch großzügige Kreditaktionen gefördert. 1955 wurden durch das Wiener Fremdenverkehrsförderungsgesetz sowie durch die Konstituierung des Fremdenverkehrsverbandes und der Fremdenverkehrsstelle der Stadt Wien die Grundlagen zu einer umfassenden Werbearbeit im In- und Ausland und zur Koordinierung geschaffen. Der Flughafen Schwechat wurde zu einer wichtigen Drehscheibe des internationalen Flugverkehrs, die Wiener Internationalen Messen gewannen immer größere Bedeutung und die kulturellen Aktivitäten — allen voran die Wiener Festwochen — lenken die Blicke der Weltöffentlichkeit wieder auf Wien. 1963/64 wurden mit mehr als einer Million Besucher und mehr als drei Millionen Nächtigungen erstmals zwei „Traummarken“ überschritten, auf die Fachleute vor kurzem noch nicht zu hoffen wagten. Seither steigen die Besucherzahlen — zu denen die ausländischen Gäste mehr als 80 Prozent beitragen — wesentlich stärker, als es der gesamteuropäischen Zuwachsrate entspräche.

Die starke Zunahme des Reiseverkehrs aus unseren östlichen Nachbarländern verdeutlicht die europäische Brückenfunktion Wiens. Besonders erfreulich ist die wachsende Bedeutung Wiens als Kongreßstadt. Wenn hier im Vorjahr 205 internationale Tagungen mit rund 85.000 Besuchern stattfanden, so bedeutet das, daß Wien einen beachtlichen Teil der geistigen Wėltelite in seinen Mauern beherbergen konnte. Die Stadtverwaltung wird weiterhin das ihre dazutun, daß alle Besucher Wiens durch Augenschein bestätigt finden, was den Weltruhm dieser Stadt ausmachte: eine Metropole der Kunst und des Geistes, aber auch der Menschlichkeit und Gastfreundschaft zu sein!

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