Porträts aus 4000 Jahren und aus den verschiedensten Sammlungen des Hauses in neue Kontexte zu stellen, ist der Anspruch der Schau „Starke Köpfe“ im Kunsthistorischen Museum. Man geht etwa der Frage nach, durch welche Kunstgriffe Abgebildete lebendig wirken.
Wie sich die Ziele gleichen: Ob ägyptische Statuen oder neuzeitliche Gemälde, zumeist dienten Porträts der Demonstration von Macht, oft auch von Zuneigung. Stets haben sich Bildnisse von Menschen in den letzten 4000 Jahren um Fragen der Repräsentation, um jene der Darstellung von Idealem oder Authentischem, oft auch um Inszenierung des eigenen Ichs und um die Konfrontation mit dem Tod gedreht. Ob Aristoteles mit Falten in der Denkerstirn dargestellt wurde oder Palma il Vecchios Schöne zum Ideal stilisiert, ob sich Kaiser Franz Cäsar-gleich porträtieren ließ oder Katharina die Große als Pallas Athene – wie eine Person gemalt oder geformt wurde, sollte sie charakterisieren und Einfluss auf die Wahrnehmung des Betrachters haben.
Um die „künstlerischen Tricks dahinter“ geht es laut Co-Kuratorin Gudrun Swoboda in der Ausstellung „Starke Köpfe“. Das Kunsthistorische Museum hat darin Porträts aus verschiedenen Sammlungen im Sinne des transdisziplinären Gedankens vereint, zehn Themenbereiche stellen dabei neue Zusammenhänge her. Eine „bewusst andere Form des Sehens und Betrachtens, die im intimen Rahmen und in konzentrierter Form Möglichkeiten zur intensiven Betrachtung bietet“, will Direktorin Sabine Haag offerieren.
Besonders aufschlussreich ist hier die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Mittel, mit denen Künstler Bildnisse lebendig wirken lassen. Wenn die „Tochter des Künstlers“ von Jean-Étienne Liotard neckisch den Finger hebt, meint man, sie brenne darauf, dem Betrachter im nächsten Moment etwas zu erzählen. Jan van Eycks Goldschmied reicht einen Ring förmlich durch den Rahmen, Francesco Lauranas „Isabella von Aragon“ scheint den Blick gerade deshalb zu senken, weil Besucher sie ansehen.
Dem Kapitel des Lebendigen gegenüber gestellt: die wahrhaftigen Schatten des Todes, die in Lucas Cranachs d. J. Doppelporträt hinter den Abgebildeten gemalt sind. Furtenagels Paar blicken gar die Totenköpfe aus dem Spiegel entgegen. Seit jeher dienten Porträts der Erinnerung an die Toten, aber auch der Konfrontation mit dem Leben nach dem Ableben. Dass sich Herrscher gerne mit ihren toten Ahnen darstellten, sollte wiederum ihre Position legitimieren, das Beisein von Kindern sollte zeigen, dass die Zukunft gesichert sei.
Knips dir dein eigenes Porträt
Auch die Frage, wie authentisch Darstellungen waren, zieht sich durch die gesamte Geschichte des Genres und somit durch die Ausstellung. Neben Palma il Vecchios „Junger Frau in blauem Kleid“ hängt ein Bild, das auf den ersten Blick wie eine Verunglimpfung wirkt: Friedrich III. wurde um 1500 mit Unterbiss, Augenfalten und Hakennase dargestellt; der verbrauchte Eindruck sollte jedoch, wie man lernt, darauf hinweisen, dass er ein angesehener, lang gedienter Herrscher war.
Überhaupt bietet diese Ausstellung ganz besonders vielfältiges Wissen: vom ägyptischen Totenkult über Münztraditionen der römischen Antike und die Frage, wie der Betrachter selbst zur Wirkung von Rembrandts Selbstporträt beiträgt, bis zur Bedeutung von Bildnissen in Bezug auf königliche Hochzeiten, zumal Porträts bei Eheschließungen wie bei Staatsakten als Stellvertreter fungieren konnten. Ägyptische Statuen wiederum, wie sie in der Schau zu finden sind, wurden dazu genutzt, Menschen vor den Göttern oder im Jenseits zu vertreten.
Um die Ausstellung von dieser längst vergangenen Zeit bis in die Gegenwart zu ziehen, gibt man dem Besucher in einer Installation von Peter Weibel und Matthias Gommel die Chance, sein Porträt zu knipsen, die Fotos werden digital projiziert. Ein netter Einfall, der nicht notwendig wäre, um mit dieser Schau zu begeistern …
Starke Köpfe
Porträt(s) des Kunsthistorischen Museums
Kunsthistorisches Museum, 1010 Wien
bis 12. September, Di–So 10–18 Uhr, Do bis 21 Uhr; Juli und August auch Mo
Katalog hg. von Sabine Haag, e 19,90; Kinderkatalog e 12,90
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