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Beethoven und die Miliiärmusik

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In einem Aufsatz über Lehär als Militärkapellmeister („Die österreichische Furche“, 1. August) erwähnte General Wiesinger unter anderem, daß auch den jungen Beethoven „eine Art Kapellmeisteruniform beim Ausmarsch der ,Musikbande der Wiener Freiwilligen' wider Napoleon Bonaparte Anno 1997“ geschmückt habe. Hierauf beziehen sich die folgenden Ausführungen des bekannten Musikhistorikers.

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In einem Aufsatz über Lehär als Militärkapellmeister („Die österreichische Furche“, 1. August) erwähnte General Wiesinger unter anderem, daß auch den jungen Beethoven „eine Art Kapellmeisteruniform beim Ausmarsch der ,Musikbande der Wiener Freiwilligen' wider Napoleon Bonaparte Anno 1997“ geschmückt habe. Hierauf beziehen sich die folgenden Ausführungen des bekannten Musikhistorikers.

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Im Jahre 1843 veröffentlichte Franz Joseph Kolb ein Gedenkbuch zur „Fahnenweihe des k. k. Corps der bildenden Künstler in Wien“, die am 26. Juli 1842 auf dem Glacis stattgefunden hatte. Dieses Büchlein enthält auch die Vorgeschichte jenes Korps und erwähnt (Seite 91) das „Corps von Wiener Freiwilligen“, das 1796 aufgestellt und dessen Fahne am 20. September (richtig Oktober) in Stockerau eingeweiht worden war. Dann aber überrascht uns Kolb mit dem Zusätze: „Beethoven war, als Volontär, Capellmeister dieses Corps.“

Darnach schrieb Moriz Bermann in seinem populären Werke „Alt- und Neu-Wien“ (1880, Seite 1028): „Als Kapellmeister der Musikbande fungierte damals — Ludwig van Beethoven.“ Allerdings bezieht sich diese Bemerkung nicht mehr auf das „Corps der Wiener Freiwilligen“ von 1796, das in Oberitalien kämpfte, sondern auf die fünf Korps der Bürgermiliz, die im April 1797 aufgestellt wurden und auf ihrem Zuge gegen Bonaparte nur bis Kritzendorf, Klosterneuburg, Altenmarkt und Lilienfeld kamen: die Unterzeichnung des Vorfriedens von Leoben brachte diesen Auszug zu einem raschen Ende.

Als ein neuer Inhaber des Cafe Beethoven, das seinen Namen dem nahen Schwarzspanierhaus verdankt, um 1935 sein Lokal renovieren ließ, wurde er von einem Beamten des Rathauses auf Bermanns Nachricht gewiesen. Da es dort aber weiter hieß: „Aus jenen Tagen stammt die... Volkshymne ... von ... Haydn“, so wurde Kolbs Legende weiter ausgemalt. Das Wandgemälde in jenem Kaffeehaus zeigt den jugendlichen Beethoven als uniformierten Kapellmeister der Musikbande, mit einem (anachronistischen) Taktstock. Die Beschriftung erwähnt nicht nur, daß dort, auf dem ehemaligen Paradeplatz, die Musterung und Fahnenweihe am 17. April 1797 stattgefunden habe, sondern auch, daß Beethoven die neue Volkshymne von Haydn dirigiert habe. Das ist natürlich nur Geschichtsklitterung, aber kein Denkmalamt kann solche privaten Inschriften und Darstellungen in oder an einem

Hause verbieten. Die suggestive Kraft solcher Legenden in Bild oder Schrift bleibt bedauerlich: man glaubt endlich daran.

Nun aber hatte Beethoven wirklich mit dem Freiwilligenkorps von 1796 sowie mit der Bürgermiliz von 1797 etwas zu tun. Da diese Beziehungen auch in der ernsten Beethoven-Biographie nicht deutlich geschildert worden sind, so verdienen sie bei dieser Gelegenheit Erwähnung.

Der Inspirator der beiden patriotischen Gesänge, die Beethoven für jene Formationen geschrieben hat, war sein Textdichter J. Friedelberg, über den man sehr wenig weiß. Er hatte 1794 und 1795 im „Wiener Musenalmanach“ etwa ein Dutzend Gedichte und Epigramme veröffentlicht, war Unterleutnant im Freiwilligenkorps, dann Leutnant im Infanterieregiment de Ligne und starb 1800 an einer im Felde erhaltenen Wunde. Noch 1800 erschien von ihm bei Wappler das epische Gedicht „Kallidion“, das im November jenes Jahres in Wielands „Neuem deutschen Merkur“ nachsichtig besprochen worden ist, übrigens 1802 noch eine wohlfeile Neuauflage erfahren hat. Sonst ist von Friedelberg nur noch ein Gedicht auf den Heldentod des Feldmarschalls Karl Alois Fürst von Fürstenberg bekannt, das 1799 in Prag erschien.

Das erste der beiden Beethoven-Lieder ist betitelt: „Abschiedsgesang an Wiens Bürger beim Auszug der Fahnendivision des Corps der Wiener Freiwilligen von Friedelberg ... Dem Herrn Commandanten des Corps, Obristwachtmeister v. Kövesdy gewidmet vom Verfasser. Wien den 15. November 1796.“ Der • Kommandant war Major Karl von Kövesdy; am 17. November zog die zweite Division zur Armee in Italien ab.

Das zweite Lied, wie das erste bei Artaria & Co. erschienen, heißt: „Kriegslied der Oesterreicher von Friedelberg . .. Wien den 14ten April 1797.“ Die Miliz war am 4. April, als die Franzosen schon in Steiermark standen, aufgerufen worden, und am 17., Ostermontag, wurden die Korps auf dem Paradeplatz inspiziert. Nach einer Feldmesse marschierten sie unter den Klängen ihrer

eigenen Musikbanden zur Nußdorfer Linie hinaus (vorbei an dem Hause, wo Schubert . drei Monate auvor geboren worden war).

Zur Chronologie der Ereignisse ist noch bemerkenswert, daß Haydns Volkshymne am 12. Februar in allen Theatern Oesterreichs abgesungen wurde, und daß am 21. Februar das Korps der Wiener Freiwilligen beim Fall von Mantua kapitulieren mußte. Friedelberg dürfte bald darauf nach Wien zurückgekommen sein. Am 3. Mai kehrte die Bürgermiliz unverrichteterdinge heim. Nachdem sich Bonaparte im Mai von der Steiermark nach Oberitalien zurückgezogen hatte, kam es im Oktober endlich zum Frieden von Campo Formio.

Erst 1809, 1810 und 1816 schrieb Beet-hoven, meist im Auftrag Erzherzogs Anton, mehrere Märsche und „Zapfenstreiche“ für Militärmusik. Auch diese hat er weder in Uniform noch in Zivil dirigiert.

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