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Der sechzigjährige Friede

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„Mit 21 Häuptlingen zog lcn aus , lesen wir in der Gründungsurkunde : von St. Johann (1698), „um einen geeigneten Platz zu finden für die neue Niederlassung. Dabei hatten wir auf vier Sachen besonders zu achten: fruchtbares Pflanzland, gutes und ge- I nügendes Wasser, in der Nähe das i nötige Bau- und Brennholz und ge- i sunde Lage ...

Es war am Feste der Kreuzerhöhung, ' als ich auf dem als Kirchplatz ausgesuchten Hügel ein hohes, weithin i sichtbares Kreuz errichtete. Um von vornherein allen Streit wegen des den einzelnen Häuptlingen für ihre Stammesangehörigen zu überweisenden Landes zu vermeiden, hielt ich vor der Verteilung des Landes an meine Begleiter folgende Anrede: Kinder, der liebe Gott gibt uns dieses schöne, gesegnete Land unter der Bedingung, daß wir es als Gottes Kinder in Frieden und Eintracht besitzen. Zu diesem Zweck halte ich es für notwendig, jedem von euch Stammesältesten soviel Pflanzland, Weide und Wald zuzuteilen, als ein jeder nach der Anzahl seiner Leute notwendig hat.

Der Ertrag der gemeinsam bestellten Felder diente zum Unterhalt und zur Zahlung der hohen Abgaben an die Krone, als Reserve bei Mißernten und als Tauschmittel im Handel. Was der Indianer auf dem ihm zugewiesenen Land erntete, wurde ihm in Waren bezahlt. In zwei Kasernen lag die Bürgerwehr. Immer wieder mußten sie gegen die von den Paulistanern aufgehetzten schweifenden Indios eingesetzt werden. Einmal mußten sie sogar Buenos Aires gegen englische Freibeuter schützen. Viehzucht, Erva-Mate-Tee und Baumwolle, die von den Frauen versponnen und verwebt wurde, waren die Hauptprodukte. Außer Nahrung und Kleidung stellten die Bewohner Schnitzereien und Stickereien aller Art her. Erstaunliches wurde auch, wie aus der „Beschreibung der Reise des Rev. P. Antonii Sepp aus Tyrol an der Etsch nach Paraguay“ (Nürnberg 1768) hervorgeht, in der Herstellung von Musikinstrumenten, Orgeln, Glocken, Altären geleistet.

Sechzig Jahre dauerte der Friede in diesen christlichen „Kolchosen“, wo Gebet und Arbeit und nicht die tägliche Peitsche der Höchstleistung das gemeinwirtschaftliche Leben ordneten. Schon immer waren den Sklavenjägern und anderen Ausbeutern die Niederlassungen der Jesuiten ein Dorn im Auge. Der Haß des radikalen Aufklärers, des Kirchenfeindes Pombai, Erster Minister des Königs von Portugal, diktierte das Todesurteil über das einzigartige Werk. Die Patres wurden vertrieben. Sao Miguel verließen die Indianer erst, als die Geschütze der spanischen und portugiesischen Truppen auffuhren und die Reduktion in Brand schössen.

Allein auf den Missiones von Paranä sitzen heute 120.000 Kolonisten ohne Besitztitel. Lange Zeit schienen in Brasilien Maschinen wichtiger als Bauern. Der Riese ist auf dem Weg zur Großmacht und kann immer noch nicht sein eigenes Brot essen. (Die verhaßten Amerikaner müssen jetzt wieder 800.000 Tonnen Weizen liefern!) Der Haß zerstörte einst jene Reduktionen. Großgrundbesitzer und Kolonisten können an ein einzigartiges Vorbild anknüpfen, an eine Gottesherrschaft des guten Willens. Die Agenten des Hasses können die Bodenreform nicht bringen.

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