6565396-1949_39_10.jpg
Digital In Arbeit

In memoriam: Leon Merklen

Werbung
Werbung
Werbung

Als dieser Tage die Spitzen der internationalen katholischen Pressevereinigung sich in Luzern unter dem Vorsitz des Direktors des „Osservatore Romano“ zu einer Beratung vereinigten, galt ihr erster gemeinsamer Gedanke und ihr erstes gemeiiisames Wort dem ehrerbietigen und dankbaren Gedenken an einen großen ‘ Weggenossen, der Abschied genommen hatte, dem am 7. September verstorbenen Chefredakteur der Pariser „La Croix“, Abbé Leon Merklen. Maurice Herr, vom Stabe dieses großen katholischen Blattes, hat dem Toten in seinem Nachruf ein schönes literarisches Denkmal gesetzt. 1874 geboren, entstammte Leon Merklen einer elsässischen Familie, die nach dem Anfall des Elsaß an Deutschland nach Frankreich ausgewandert war. Seine Mutter gehörte der Familie Oberlé an, die René Bazin durch seinen berühmtesten Roman in der Literatur verewigt hat. Der Vater war Advokat und der Sohn, der an der Universität Nancy sich als Jurist inskribieren ließ, war ausersehen, die väterliche Kanzlei zu übernehmen. Schon Hatte er einige Semester des Jusstudiums völlendet, als er, einem plötzlichen starken Entschluß folgend, den Übertritt zur Theologie vollzog. In Rom erwarb er die Doktorate der Theologie und Philosophie und begann nach einer kurzen Tätigkeit als Professor zu Nîmes an dem Kollegium des Assumptlonistenordens, in den er eingetreten war, seine journalistische Laufbahn an der bedeutenden damaligen Revue „Documentation catholique“, aus der er schon nach vier Jahren an die Spitze der „Croix“ berufen wurde. Seine Tätigkeit als Leiter der „Croix“ wird ein großes Kapitel französischer katholischer Zeitungsgeschichte füllen. Sie machte das Blatt zu einer singulären Gestalt; in dem ungeheuren Auf undAb des öffentlichen Lebens Frankreichs und in seinem nicht selten stürmisch bewegten Zeitungswesen war „La Croix“ unter Leon Merklen der ruhende Pol. Das Kreuzbild an der Spitze tragend, alle Propaganda verschmähend, bewußt in seiner Aktion abgestellt auf den kirchlichen und katholisch-sozialen Raum, hat das Blatt, fortbauend auf seiner alten Überlieferung, seine einzigartige Erscheinung, einen nicht wegzudenkenden Bestandteil des französischen Zeitungswesens, geformt. Was will man sagen über die Bedeutung Leon Merklens als Führer dieses Blattes! Maurice Flerr führt an, daß zu Abbé Merklens 50jährigem Priesterjubiläum die Verleihung des Ritterkreuzes der Ehrenlegion an ihn erfolgte und vierzig Kardinale, Erzbischöfe und Bischöfe unter den Gratulanten waren, neben Politikern, Ministern und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Mehr besagt noch, daß Merklen der gerne gehörte Berater im Vatikan war.

Doch nicht, um über den Leiter der „Croix“ zu wiederholen, was viele Zeitungen über ihn an seinem Grabe geschrieben haben, ist die Absicht dieser Zeilen, sondern vielmehr die Erinnerung daran, daß Leon Merklen es war, der, ein Franzose vom Scheitel bis zur Sohle, im großen Felde des Journalismus ein Beispiel der Überwindung des völkerzerspaltenden nationalistischen Geistes gab, als er der wirkliche Gründer der ersten großen internationalen Vereinigung innerhalb des katholischen Journalismus wurde — zu einer Zeit, da unter den Wirkungen des Unglücksvertrages von Versailles die Kluft zwischen den beiden führenden europäischen Nachbarvölkern sich aufs neue zu verbreitern begann. Es war zuerst im Jahre 1928, ab eine Reihe katholischer Zeitungsleute sich in Köln bei der internationalen Presseausstellung trafen und dann in Fortführung der dort angeknüpften Fäden im Jahre 1930 während des in Brüssel tagenden katholischen Pressekongresses die erste internationale Vertretung der katholischen Presse ins Leben gerufen wurde. Die Bedeutung des gewonnenen Bindegliedes in der zuvor untereinander nur in begrenzter Fühlung stehenden katholischen Zeitungswelt wurde während des imposanten Verlaufes des großen Pressekongresses in Rom von 1936 sichtbar.

Von Anfang an war dem Pariser Zei- tungsfülhrer eine initiative Rolle zugefallen; ein glänzender Redner und Debatter, liebenswürdig auch in der gegnerischen Auseinandersetzung, diplomatisch klug und welterfahren, war er der prädestinierte Steuermann des gebrechlichen Fahrzeuges, das jedes internationale gesellschaftliche Bauwerk darstellt. Leon Merklen war es in der unter seinem Präsidium stehenden Permanenten Kommission der Zeitungsherausgeber, er war es aber auch in dem großen allgemeinen Kreis der journalistischen Fachgenossen. Und was war das für ein Kreis, in dem neben Leon Merklen ein Conte Dalla Torre vom „Osservatore Romano", ein Friedrich Muckermann, der Holländer Kuypers, der Belgier De- marteau, der Luxemburger Prälat Origer, der Pole Kaszynski — um nur einige zu nennen — sich zusammengefunden hatten. Natürlich wußten die Gegner, wer dieser Leon Merklen war. Hätte er sich während der deutschen Besetzung von Paris nicht der Gestapo, die hinter ihm her war. immer wieder geschickt zu entziehen gewußt, so hätte er unzweifelhaft das tödliche Schicksal des Sekretärs der Vereinigung, Dr. Hoeben, Breda, und des Prälaten Origer geteilt.

Doch die schweren Kriegsjahre hatten in Abbé Merklen, der in seinem großen Werkbereiche mit seinen Kräften nicht zu sparen vermocht hatte, tiefe Spuren hinterlassen. Schon vor zwei Jahren verlangte er mit Rücksicht auf seine geschwächte Gesundheit nach Entlastung ab Präsident der Commission Permanente; den einmütigen Bitten der Freunde gab er noch einmal Gehör. Ab sich die Commission in diesem Sommer im Haag wieder versammelte, stand sie vor der unabänderlichen Tatsache seines Rücktrittes. Niemand aus dem Kreise der im Haag versammelten Freunde ahnte, daß dieses Scheiden schon zugleich der Abschiedsgruß war. Es war geplant gewesen, ihm auf dem im. Februar nächsten Jahres in Rom statt- findenden internationalen katholischen Pressekongreß eine mondiale Huldigung zu bereiten. Daß Leon Merklen gerade jetzt fehlen wird, da die bisherige internationale Repräsentierung der katholischen Presse vor der Umwandlung in eine weltweite organische Zusammenfassung der Kräfte steht, ist überaus schmerzlich. So wird es Sache der großen geistigen Gemeinschaft der katholischen Presse sein, die für Rom ausersehene Huldigung für Leon Merklen zu dem Gelöbnis werden zu lassen, dem Beispiel dieses edlen, großen Geistes in dem gemeinsamen Werk für und immer nachzu-folgen

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung