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Osterreicher in den britischen Kolonien

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Schon als junger Priester trug sich Dr. Herbert Vaughan, der 1903 als Kardinal und Erzbischof von Westminster starb, mit dem Gedanken, ein britisches Missionsinstitut zu gründen. Er dachte an Großbritanniens Einfluß, an seine Weltmachtstellung und seinen blühenden Handel. Sollte die Vorsehung ihm nicht noch größere Aufgaben zugewiesen haben? Zum Beispiel die Christianisierung seiner farbigen Völker? Wohl gab es große protestantische Missionsgesellschaften, die manches leisteten. Allein die Katnoliken fehlten. Es gab noch kein katholisches Missionsinstitut in England.

Um diese Lücke auszufüllen, gründete er 1861 das St.-Josefs-Missionskolleg von Mill Hill bei London Von allem Anfang an hatte er sich die Schwierigkeiten nicht verhehlt, die sich der Verwirklichung seiner Idee entgegenstellen würden. Mit englischer Zähigkeit ging er voran. Als sich unter den Katholiken Englands nicht genug Missionsberufe meldeten, meinte er lakonisch: „Nun gut, das Reich Gottes kann nicht auf die Engländer warten.“ So ging er auf die Suche nach Holland und dann, als er dort Erfolg hatte, aber er noch mehrere Kräfte brauchte, nach Österreich, vor allem Tirol. In Ausführung dieses Planes, dem Fürstbischof Simon Aichner von Brixen gerne beitrat, wurde 1891 das St.-Josefs-Missionshaus in Brixen errichtet.

Die Tiroler und Holländer, die sich der Mill-HillerGesellschaft anschlössen, mußten die letzten vier Jahre ihrer theologischen Ausbildung im Mutterhaus in England machen. Denn Herbert Vaughan legte Wert darauf, daß seine Gesellschaft ihren englischen Charakter nicht verlieren sollte, wenn auch ein großer Teil ihrer Mitglieder vom Kontinent kam. Sie war ja für die Christianisierung* der britischen Kolonien bestimmt. Da nach dem ersten Weltkrieg Südtirol von Österreich getrennt wurde, gründete man ein weiteres Missionshaus in Absam bei Hall.

Die Idee des Gründers erwies sich als richtig. Österreicher kamen, vor allem Tiroler, aber auch Oberösterreicher, Steirer, Salzburger und Vorarlberger. Willige und fähige Leute waren es, die im Rahmen der englischen Missionsgesellschaft solche Wertschätzung erlangten, daß die oberste Leitung sie heute auf keinen Fall mehr missen möchte. Nur wenige von ihnen erwarben die britische Staatsbürgerschaft. Die meisten blieben Österreicher, wenn sie auch ihr Leben und ihre ganze Kraft für das geistige Wohl unter britischen Kolonialvölkern einsetzten. Tolerant bei all ihrer Heimatliebe, feind allem sturen Fanatismus und frei von Überhebung ihrer selbst und von Verachtung alles Andersgearteten, wie die Österreicher sind, fanden diese Glaubensboten aus Österreich in den britischen Kolonien es leicht und selbstverständlich, mit den zivilen Stellen zusammenzuarbeiten. Gerade weil Österreich keine imperialen und kolonialen Interessen hatte, fiel nie der leiseste Verdacht auf sie, sie könnten politische Propaganda für ihr Vaterland treiben, ein Verdacht, der so viele“ Missionären anderer Nationalität die Arbeit erschwert.

Diese Männer zogen nicht für Österreichs Ehre in die Fremde, sondern aus noch höheren Motiven, aber unbewußt haben sie dem guten österreichertum in den Kreisen der britischen Offiziere und Verwaltungsbeamten Ehre gemacht. Ein Beispiel dafür ist der Tiroler Vinzenz Halder, der dreieinhalb Jahrzehnte in Sarawak (Britisch-Borneo) wirkte und 1936 in Singapore starb. Seine tirolerische Schlichtheit und Ehrlichkeit, sein österreichischer Humor machten ihn zum Liebling aller, nicht zuletzt der englischen Beamten. (Vgl. Hans Brugger, Ein lustiger Missionär, Brixen 1939, St.-Josef-Missionshaus.)

Die Mill-Hiller-Missionsgesellschaft zählt heute vierundsechzig lebende österreichische Priester, die in den ver' schiedenen britischen Kolonien zerstreut unter ihren englischen, irischen und holländischen Mitbrüdern wirken. Zwei von? ihnen, beide hervorragende Linguisten, wurden 1942 auf den Philippinen ermordet. Sechs weitere und ein Laienbruder fielen 1945 auf Borneo japanischem Blutdurst zum Opfer. Unter diesen befanden sich Msgr. August Wächter aus Bludenz, der Apostolische Präfekt, und Johann Unter-berger, der erste Rektor des Missionshauses in Absam bei Hall. Dieses Haus haben die Nazis seit 1941 für ihre Zwecke benützt. Nun aber wurde es wieder seiner eigentlichen Bestimmung zurückgegeben. Diese ist natürlich r'ein religiös. Weil aber Religion und religiöse Institute nicht in einem luftleeren Raum stehen, sondern hineingestellt sind in unsere Welt, wie sie nun einmal ist, bildet dieses Haus eine Brücke zwischen Österreich und dem britischen „Empire“. Seine Missionäre beweisen, daß echtes österreichertum und englische Art sich gut vertragen, und gar wohl zu-* sammenarbeiten können.

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