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Römische Gespräche über Kirchenmusik
In den letzten Maitagen sind in Rom Kirchenmusiker aus zwei Erdteilen zusammengekommen, um die Diskussion über eine Kunst fortzusetzen, welche ein wesentlicher Bestandteil der Liturgie ist. Die Gespräche begannen im fernen Jahr 1882, als Don Amelli den ersten cäcilianischen Kongreß einberief, auf dem die Grundlagen der Reform der kirchlichen Musik geschaffen wurden. Damals waren es ganze 32 Kongreßteilnehmer, darunter der Vater des heuer gefeierten Lorenzo Perosi, diesmal mehrere hunderte! Michelangelos Palazzo della Cancelleria, einer der ausgewogensten Prachtbauten Roms, und der Saal des Päpstlichen Instituts für Kirchenmusik waren abwechselnd Schauplatz der Zusammenkünfte, bei denen es weder an lebhaften Diskussionen noch an musikalischen Darbietungen von höchster Vollendung mangelte. Die Fülle der eingereiditen Abhandlungen machte es notwendig, daß auf jeden Bericht nicht mehr als fünf Minuten entfielen und zudem eine Einteilung in drei Sektionen erfolgen mußte. In der ersten diskutierte man über den liturgischen Gesang in seiner orientalischen, byzantinischen und gregorianisdien Form, in der zweiten über Musikwissenschaft und Organistik, in der dritten über zeitgenössische Kirchenmusik und „praktische Fragen“. Es war vielleicht die letztere, welche die größte Anzahl von Teilnehmern anzuziehen vermochte. Ohne sich Neuerungen verschließen zu wollen, wurde das Prinzip anerkannt, die Quelle ewiger Schönheit, als welche die Kirchenmusik gelten darf, ungetrübt zu erhalten. Endgültiges wurde auch über alte Streitfragen, zum Beispiel die Zulassung von Streichinstrumenten beim liturgischen Gesang, nicht ausgesprochen. In diesem Zusammenhang mag auf das Interesse hingewiesen werden, das die Päpste, von Leo XIII. bis Pius XII., an kirchenmusikalischen Fragen gezeigt haben; Pius XII. hat zum Beispiel verboten, daß während der Weihnachtsmesse in seiner Anwesenheit ein Streichquintett spiele. Maestro Perosi, der seit einem halben Jahrhundert als kirchenmusikalische Autorität gilt, hat gegen die Verwendung von Streichern nichts einzuwenden; eine seiner schönsten Messen, die „Prima Pontificalis“, war in ihrer ursprünglichen Niederschrift für Streicher und Orgel gedacht. Bei den „praktischen Fragen“ kam die schwierige finanzielle Lage zur
Sprache, in der sich heute kirchenmusikalische Einrichtungen In vielen Ländern befinden. Die Krise ist ausschließlich wirtschaftlicher Art, nichts sonst deutet darauf hin, daß die schöpferische Kraft auf diesem Kunstgebiet nachgelassen hätte.
Der kirchenmusikalisdre Kongreß in Rom, unter den vielen des Heiligen Jahres eine der anziehendsten Veranstaltungen, gab den Teilnehmern Gelegenheit, einige der berühmtesten Klangkörper der Welt zu hören: die Capeila Sistina, die Lateranense, die Liberiana, schließlich den Chor der Santa Cecilia. Auf dem Programm stand Guido drArezzo, dessen Todestag sich heuer zum 900. Male jährt, an erster Stelle.
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