Holocaust-Gedenken: Ende des Zitterns

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Seit November 1996 lagern die Teile des Wiener Mahnmals fix und fertig in einer Halle.

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Seit November 1996 lagern die Teile des Wiener Mahnmals fix und fertig in einer Halle.

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Das lange Zittern um die Aufstellung des Holocaust-Mahnmals auf dem Wiener Judenplatz ist vorbei. Damit dürfte allen an der Ausführung beteiligten Firmen ein Riesenbrocken vom Herzen fallen. Immerhin lagern die betongegossenen Bestandteile des Denkmals fein säuberlich palettiert, von Plastikplanen geschützt, seit November 1996 montierfertig in einer Halle im Süden von Wien. Diskretion um den Standort wird groß geschrieben. Die Angst vor rechten Attentaten bekommen auch Fotografen zu spüren. Das wird erst mit dem Abtransport vorbei sein.

Die verlängerte Aufbewahrungszeit nervt zwar, die Kosten beeinflußt sie aber nicht. Die budgetführende Dienststelle, die MA 10, hat in weiser Voraussicht ein Pauschalentgelt von 396.000 Schilling für die Lagerung vereinbart. Insgesamt kostet das Denkmal 7.497.580 Schilling. Für angemessenes Gedenken und eine Arbeit, die sowohl der Künstlerin als auch den ausführenden Firmen und den kooperierenden Architekten höchste Präzision abverlangt, nicht zuviel.

5,5 Millionen Schilling entfallen auf die materielle Fertigung der Teile, 192.000 Schilling auf den Transport. Ein Posten, der hoffentlich bald ausgeschöpft wird. 1,129.580 Schilling beträgt das Künstlerhonorar, nervliche Anspannung und Mehrwertsteuer inklusive. 280.000 Schilling bekommt der Statiker.

Nur das sicher nicht geringe Architektenhonorar ist noch offen. Die Planungen des Gedenkraumes über den archäologischen Funden der Or-Sarua-Synagoge sind schon weit fortgeschritten, aber noch nicht in allen Details ausdiskutiert. "Wir werden keine Materialverwandschaft zwischen den historischen Funden und dem neuen Eingriff aufkommen lassen", hat sich das Planerduo für eine ruhige, ablesbare Lösung entschieden. Die Aufregung um die Funde versteht es nicht. "Schon in der Ausschreibung ist der Umfang der Ausgrabungen festgestanden." Auf die mediale Aufgeregtheit wird mit einem klaren, meditativen, fast sakralen Raum reagiert. Aufgrund der Funde ist der Spielraum ohnehin nicht groß.

"Man wird in der Mitte hineinkommen und sich sofort im Raum orientieren können." Ein dunkler Hintergrund und gekonnte Ausleuchtung werden für eine würdige Präsentation der Funde sorgen.

Außerdem wird es im Misrahi-Haus eine Gedenkstätte geben, die sowohl die historische Verfolgung im Mittelalter als auch den Holocaust thematisiert. Von dort wird über ein sehr gut erhaltenes Kellergewölbe der Zugang zu den Ausgrabungen möglich sein. Die Frage, ob die Decke des besinnlichen Raumes gläsern oder aus Beton sein soll, können Experten nur belächeln. Sowohl der Direktor des Historischen Museums der Stadt Wien, Hofrat Günter Düriegl, als auch die Architekten sind sich einig, daß Lichteinfall, mögliche Verschmutzung, Vandalismus oder ähnliches bei der Glasvariante dem ehrfurchtsvollen Gedenken nicht dienlich sind.

Die Art der Rekonstruktion der Bimah(Lesepult) und anderer Reste liturgischer Gegenstände wünscht man sich unaufgeregt, nüchtern und sachlich. "Da werden wir uns einsetzen," sind die Planer bereit, für räumliche Würde zu kämpfen.

Den Platz selbst wird das Mahnmal prägen. Die Fertigung des Betonkubus war für alle eine Herausforderung. "Es gibt nur zwei Gießer in Österreich, die das machen können," streut Günter Düriegl der Werkstatt Kollerschlag Rosen. Auch die Architekten, Andras Palffy und Christian Jabornegg sind von Siefried Fienkhubers Können überzeugt. Einfach war die Fertigung und Ausarbeitung der Betonteile, der eingegossenen Buchstaben und der Bodenplatte dennoch nicht. "In Österreich hat noch nie jemand so eine Betonskulptur gemacht," bemerkt Palffy. Immerhin eine Kubatur von 7 mal 10 mal 3,8 Meter. Das Architektenduo mußte sich den Kopf darüber zerbrechen, notwendige Fugen unsichtbar zu machen und eine präzise Kontur zu erreichen. "Ein Strich ums Eck ist am Papier immer präziser und schöner als in Wirklichkeit mit dem Materialverschleiß."

Die richtigen Betonzuschlagstoffe verhindern, daß die Witterung den Gesamteindruck beeinträchtigen kann. Sehr viel Detailarbeit war nötig, um den Denkmalentwurf zu realisieren. "Perfektion zu erreichen, ist unmöglich, sich anzunähern, unser Ziel," lautet das Architektencredo. Alle Schritte wurden mit Rachel Whiteread abgesprochen. Mit Respekt vor dem Kunstwerk, haben die beiden die Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und Österreich koordiniert. Whiteread war oft in der Werkstatt Kollerschlag, um die Arbeitsergebnisse abzunehmen.

"Kennengelernt haben wir sie in einem Lokal." Im Gasthaus "Wickerl" wurde der Grundstein zur fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den Architekten und der Künstlerin gelegt. Nach einer Führung durch die von Palffy und Jabornegg umgebaute Generali Foundation in der Wiedner Hauptstraße, die durch präzise Räume und Lichtführung besticht, stand die Idealbesetzung für die Holocaust-Denkmal-Partnerschaft fest. "Sich in künstlerische Arbeiten einzumischen, ist völlig fehl am Platz." Eine für Architekten untypische Zurückhaltung.

In der Planung der an das Denkmal angeschlossenen Gedenkstätte können sie ihre besondere Stärke erst richtig entfalten: die Konzeption idealer Ausstellungsräume, ein Thema, mit dem sie sich schon immer beschäftigt haben. "Es ist ganz wesentlich, einen Schwerpunkt zu finden, und die beiden Anliegen, die Erinnerung an den Holocaust und das Progrom von 1421, klar zu trennen." Diese Auffassung ist vollkommen im Sinne Whitereads. Mit der Entscheidung, daß das Mahnmal nun "das Licht der Welt erblicken" (Kulturstadtrat Peter Marboe) und seine Lagerhalle verlassen darf, können die Architekten ihren Kampf um Präzision weiterführen. Wien wird um eine würdige Gedenkstätte reicher.

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