Mehr Hürden für Ungeeignete

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Bernd Hackl, Leiter der Abteilung Schulpädagogik an der Universität Graz, über Selektion bei der Lehrerausbildung.

Die Furche: Lehrersein gilt für viele als Berufung. Sollte man deshalb nicht am Beginn des Lehramtsstudiums jungen Menschen die Möglichkeit geben, festzustellen, ob sie dafür geeignet sind? Oder muss man sich damit abfinden, dass Junglehrer nach zwei Monaten das Gegenteil bemerken?

Bernd Hackl: Wenn sie das so früh bemerken, ist das ein Glücksfall. Viele realisieren das nach zwei Jahren oder überhaupt nicht. Schlimmstenfalls stellen das erst die Eltern der betroffenen Schüler fest. Es ist also meiner Meinung sogar die Aufgabe der Ausbildungsinstitutionen, Leistungshürden einzubauen, die von ungeeigneten Kandidaten nicht bewältigt werden können - und zwar im Interesse der Kinder.

Die Furche:Welche Hürden?

Hackl: Ein Test oder formalisiertes Abfragen wäre sicher völlig untauglich. Wenn man aber Personen über einen längeren Zeitraum begleitet, kann man relativ gut einschätzen, ob jemand das Potenzial hat, ein guter Lehrer zu werden. Wir haben das in Wien im "Theorie-Praxis-Labor" ausprobiert und werden das ab Herbst auch in Graz versuchen: Dabei kooperieren wir mehrere Semester lang mit einer Gruppe von Kandidaten, beobachten sie und stellen uns verschiedene Fragen: Hätten wir die Person gern in der Schule, wenn wir Direktor wären? Hätten wir sie gern als Lehrerkollegen? Hätten wir sie gern als Lehrer, wenn wir Schüler wären? Und hätten wir sie gern als Lehrer unserer Kinder, wenn wir Eltern wären? Zudem fragen wir: Ist die Person sachlich qualifiziert? Kann sie gut kooperieren? Dann kann man schon beurteilen, ob jemand geeignet ist.

Die Furche: Es sind hohe Ansprüche, die Sie stellen. Zusätzlich sollten Lehrer wohl auch ausgestattet sein mit natürlicher Autorität ...

Hackl: Ein Lehrer muss jedenfalls eine konsolidierte und interessante, anregende Persönlichkeit sein - und kompetent. Dann wird ihm auch Autorität zugebilligt.

Die Furche: Haben Sie schon einmal jemandem abgeraten, Lehrer zu werden?

Hackl: Schon einigen. Spannend dabei ist, dass viele von den Kandidaten, die weniger geeignet sind, sich selbst für viel geeigneter halten als jene Personen, die wir für sehr geeignet halten. Das ist gar nicht absurd, weil sehr selbstkritische Personen auch sehr entwicklungsoffen sind. Manche machen es phantastisch und bemerken noch einige Fehler, während andere eine katastrophale Leistung liefern und dennoch von sich überzeugt sind.

Die Furche: Schülervertreter wünschen sich an den Schulen mehr Feedback - auch gegenüber Lehrern. Wären Sie dafür?

Hackl: Wenn man Evaluationsergebnisse für die Wahrheit hält, wäre das katastrophal. Wenn man sie aber zum Anlass nimmt, über ein Problem zu sprechen, dann sind sie sehr wertvoll. Es gibt ja den Effekt, dass Lehrer, die sehr geringe Anforderungen stellen, beste Evaluationsergebnisse bekommen. Ein guter Lehrer setzt aber auch oft Verunsicherungen, was manche Schüler als beeinträchtigend erleben können. Ich hätte früher meine besten Lehrer ganz schlecht evaluiert - und heute ist von ihrem Unterricht viel mehr übrig geblieben als bei ihren "gemütlichen" Kollegen. Deshalb sollte man auch Evaluationsergebnisse nie in die Öffentlichkeit tragen, denn dort werden sie sicher falsch interpretiert.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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