6712470-1964_27_15.jpg
Digital In Arbeit

Drei preisgekrönte Werke

Werbung
Werbung
Werbung

Anläßlich ihres 150jährigen Bestandes veranstaltete die Gesellschaft der Musikfreunde gemeinsam mit dem Internationalen Musikrat der UNESCO einen Kompositionswettbewerb, dessen Ergebnis nach langwierigen und komplizierten Ermittlungsverfahren jetzt erst im Rahmen eines Festwochenkonzertes vorgeführt wurde. In Paris und in Wien waren zwei etwa gleich starke Jurorengruppen mit der Auswahl der Werke beschäftigt. Es handelte sich dabei nicht um Neukompositionen beziehungsweise Auftragswerke, sondern: die (etwa hundert) größten Orchester der Welt aus 34 Ländern waren aufgefordert worden, je ein Stück eines zeitgenössischen Komponisten, das auf ihrem Repertoire steht, einzureichen. Durch Bewertung nach Punkten (wobei sich zwischen der Pariser und der Wiener Jury bedeutend und , sehr cjbarakt tt cįg PiU ferenzen ergaben) wurden, gewissermaßen auf dem Weg des Kompromisses, die drei folgenden Werke ermittelt: das „Konzert für Orchester” des 1913 geborenen polnischen Komponisten Witold Lutoslawski (Wiener Jury 19/4, Pariser Jury 27 Punkte), die II. Symphonie des Engländers William Walton, geboren 1901 (Wiener Jury 35, Pariser Jury elf Punkte), und eine Phantasie über die „In-Nomine”-Melodie eines anglikanischen Kirchenkomponisten aus dem 16. Jahrhundert von Peter Maxwell Davies, der 1934 in Manchester geboren wurde und der weitaus jüngste der Preisträger ist (Wiener Jury sechs, Pariser Jury 34 Punkte!). Ähnlich große Differenzen bei der Bewertung der 38 eingereichten Tonbänder gab es noch bei Bėrio und Serocki, die der Wiener Jury nicht gefielen, während die Pariser Juroren zwei Kompositionen von Hovhannes überhaupt keinen Punkt gaben (die Wiener Jury immerhin zehn beziehungsweise sieben Punkte).

Trotz bedeutender Jurydifferenzen konnte das Konzert von Lutoslawski die größte Punktesumme (46)4) auf sich vereinen: ein wohlverdienter Erfolg, denn der polnische Komponist versteht sein Handwerk, er versteht es auch, zu unterhalten, ist stets kultiviert und schreibt einen brillanten, abwechslungsreichen Orchestersatz. In der Anlage kann das dreisätzige, halbstündige Werk mit Bart6ks „Cpncerto” verglichen werden (die einzelnen Teile heißen Intrada, Capriccio-Notturno e Arioso, Passacaglia, Toccata e Corale). Die Tonsprache Lutoslawskis ist die des vorseriellen Modernismus, mit allerlei rhythmischen Pikanterien und polytonalen Ballungen. Die „In-Nbmine-FdntäSia” des heute 30jährigen Engländers Davies ist ein recht eigenwilliges Zwölfminutenstück. nicht tonal und nicht seriell, mehr vom Partiturbild Weberns als von dessen Ordnungsprinzipien beeinflußt. Die Juroren, die ihm den dritten Preis zuerkannten, scheinen für den Reiz des Spröden empfänglich gewesen zu sein. — Über Sir William Waltons II. Symphonie, ein Auftragswerk der Royal Philharmonie Society und 1960 in Edinburg urauf- geführt, ist nichts Neues zu sagen. Das dreisätzige, eine knappe halbe Stunde dauernde Werk stammt aus der europäischen Tradition, verwendet geschickt alle harmonischen und rhythmischen Modelle der neueren Musik zwischen Richard Strauss und dem frühen Stra- winsky, entbehrt aber fast völlig des eigenen Profils. In der das ziemlich laute Stück beschließenden Passacaglia ist jener Teil der schönste, der an die vierte Variation im langsamen Satz von Prokofieffs 3. Klavierkonzert anklingt.

Gewissermaßen als Aufputz des Programms spielte Wolfgang Schneiderhan das aus den Jahren 1950/51 stammende Violinkonzert Frank Martins, das aber — merkwürdigerweise — bei wiederholtem Hören an Spannung ein büßt. — Di Ausführenden des interessanten Novitätenkonzerts waren die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Hans Schmidt-Isserstedt, einem seltenen Gast in Wien, dessen präzise Schlagtechnik und akribische Aufmerksamkeit daran erinnerten, wieviel schwierige neue Partituren seiner Hand schon anvertraut waren. Erfreulich war das Interesse, das dieses ausschließlich modernen Werken gewidmete Konzert, trotz subtropischer Temperaturen, gefunden hat. Es war, wenn auch gewiß nicht ausverkauft, so doch vor allem von jungen Leuten gut besucht und wurde mit größter Aufmerksamkeit angehört.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung