Rettung vorm Schimmelpilz

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Das Ende unhaltbarer Zustände: Die Steiermärkische Landes-bibliothek und das Steiermärkische Landesarchiv ziehen um.

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Das Ende unhaltbarer Zustände: Die Steiermärkische Landes-bibliothek und das Steiermärkische Landesarchiv ziehen um.

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Bücher und Dokumente sind die Grundlagen unserer Kultur. Sie werden in Bibliotheken und Archiven aufbewahrt, wo es ihnen meistens, aber nicht immer gut geht. In Graz ist nun ein Anfang gemacht worden, um unwürdige Zustände zu beenden. Die Steiermärkische Landesbibliothek geht auf das 1811 von Erzherzog Johann gegründete "National-Musäum" für Innerösterreich zurück. Vor mehr als einem Jahrhundert, nämlich 1893, erhielt sie unter ihrem Direktor Hans Zwiedinek v. Südenhorst das Haus, in dem sie bis heute untergebracht ist. Doch schon bei der feierlichen Eröffnung meinte dieser Direktor, das Haus sei repräsentativ, doch ungeeignet und höchstens für 50 Jahre brauchbar.

Der Lesesaal ist viel zu klein, im Bereich der Entleihung drängen sich Benützer und Personal, nirgends kann man sich hinsetzen, um ein entliehenes Buch gleich durchzuschauen, die Handbibliothek ist nur als Rudiment zu bezeichnen. Aber das größte Problem ist die Unterbringung der wertvollen Bestände. Altbestände lagern zusammengepreßt im Dachboden, und man hofft inständig, es möge nie ein Feuer ausbrechen. Seit Jahren wird von einem Neubau geredet, doch sind Plätze für einen solchen in der Innenstadt nicht vorhanden.

Nun aber hat sich eine Lösung angeboten, nicht unumstritten, doch sicher eine Verbesserung des derzeitigen Zustandes. Am rechten Murufer steht eine aus dem 18. Jahrhundert stammende ehemalige Kaserne. Nach Nutzung als Schülerheim steht sie nun leer und wird in Zukunft die Landesbibliothek aufnehmen.

Das Projekt hat Vor- und Nachteile. Um mit letzteren zu beginnen: das rechte Murufer hat in Graz keinen guten Ruf. Besonders ältere Menschen vermeiden es, bei Dunkelheit dorthin zu gehen. Doch nach Plänen der Stadtverwaltung soll dieses Viertel erneuert und aufgewertet werden, wozu die Landesbibliothek ein wesentlicher Beitrag sein würde. Die Vorteile überwiegen. Die Mauern des Gebäudes sind dick und solide, eine zusätzliche Klimatisierung der Depots ist nicht notwendig. Außerdem weiß man schon jetzt, wie die Räume angeordnet sind und kann die Inneneinrichtung rechtzeitig planen.

Ein Problem wird durch diese neuen Räume nicht beseitigt: Das Budget der Bibliothek ist seit 20 Jahren nicht erhöht worden. Die Periodica, ein wesentlicher Teil der Bestände, sind immer teurer geworden, auch Bücher werden nicht billiger. Deshalb ist der Ankauf auf nahezu die Hälfte gesunken. Das aber trifft die Bibliothek in ihrem Kern. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist nämlich die möglichst lückenlose Sammlung aller Schriften, die in der Steiermark erscheinen oder sich auf dieses Bundesland beziehen.

Neben dieser auch für die Wissenschaft wichtigen Arbeit gilt es, dem Leser zu geben, was er gerne lesen möchte. Dazu gehören auch Sachbücher und Belletristik. Ältere Menschen lieben ihre Landesbibliothek, doch wenn man die Jugend zum Buch führen will, kann man ihr nicht nur Altbestände bieten. So bleibt die Hoffnung, daß das neue Heim der Landesbibliothek eine entsprechende Mitgift erhalten wird.

Auch das Steiermärkische Landesarchiv war lange Zeit ein Problemkind: Es war sehr feudal untergebracht, nämlich in den Räumen der ehemaligen Jesuitenuniversität; prachtvolles Barock ist zwar eine Augenweide, aber die kostbaren Dokumente waren darin völlig ungenügend aufbewahrt. Sogar der Schimmelpilz nagte an Papier und Pergament, die Arbeitsbedingungen waren schlicht als indiskutabel zu bezeichnen. Auch hier brachte ein umgewidmeter Altbau die Rettung. Das ehemalige Karmeliterkloster auf dem höchsten Punkt der Stadtkrone ist nun zum neuen Zentralspeicher geworden.

Sieben Geschoße, teils unter, teils über der Erde, werden alle Archivalien des Landesarchivs enthalten. Ein elektronischer Leitstand faßt alle Daten über Temperatur und Feuchtigkeit zusammen und steuert automatisch das Raumklima. Die Bestände des Archivs gehen ins 9. Jahrhundert zurück, eine besonders wichtige Urkunde ist die Georgenberger Handfeste von 1186, welche die Freiheiten des steirischen Adels festlegt. Die Anzahl der Archivalien kann man nur mit einer Distanz angeben: Aneinandergereiht würden sie 50 Kilometer ergeben! Aber nicht nur Pergamenturkunden werden im neuen Haus untergebracht sein: Jedes Pfarrblatt, jede Bezirkszeitung ist ein Zeugnis für das Geistesleben der Steiermark.

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