Sie sind täglich von Büchern umgeben und haben noch immer nicht genug davon: | vier persönliche Antworten auf die Frage nach der Bedeutung des Lesens.
Programmleiter der BUCH WIEN, Verlegerin, Buchhändlerin und Kinderbuchautor: Sie geben Auskunft darüber, wie wichtig ihnen Bücher und das Lesen sind.
Günter Kaindlstorfer:
Ich rede nicht lange drumherum: Ich kann mir ein Leben ohne Bücher nicht vorstellen. Mit "Mecki im Schlaraffenland“ hat es begonnen, im Herbst 1970 ungefähr. Es folgten Lektüre-Exzesse mit "Tierzirkus Pipino“ und "Kasperl fliegt zum Mond“. Natürlich habe ich als Kind auch die ganzen Klassiker in mich hineingefressen: Erich Kästner, Astrid Lindgren, Otfried Preußler. Was immer dann später kam an Lektüre-Erlebnissen - von Kierkegaard bis Updike: Es war im Grunde immer auch der Versuch, die Lese-Ekstasen der Kindheit zu wiederholen. Dem Sog der Geschichten zu erliegen, in Euphorien der Erkenntnis zu taumeln, den Alltags-Kleinkram eine Zeitlang hinter mir zu lassen… Heute versuche ich das, was mich als Bub begeistert hat, an meine Kinder weiterzugeben. Allabendliches Vorlesen ist Pflicht: "Till Eulenspiegel“ haben wir gerade durch. Jetzt kommt "Tierzirkus Pipino“.
Gerda Schaffelhofer:
Den Wert des Lesens mag mancher erst erkennen, wenn er in einem asiatischen Land steht. Schriftzeichen, aber keine Chance auf Kommunikation. Lesen ist so sehr Teil unseres Alltags geworden, so selbstverständlich, so unverzichtbare Quelle für Aneignung aller Art, dass man nicht darauf achtet. Doch für Hunderte Millionen Menschen bleibt die Schrift ihr Leben lang ein verschlossenes Zauberreich. Und auch bei uns … Dem Buch verdankt sich eine Art von Wissenserwerb, die weit über die Faktenwelt hinaus führt in das Reich der Träume, der Abenteuer, der Ferne wie der Nähe, der Bildung wie der Empfindung, der Schönheit wie des Schreckens. Zwischen zwei Deckeln organisiert, strukturiert, illustriert, gebunden, broschiert, wartet eine unendliche Zahl von Texten, ein gewaltiger Reichtum. Das Gespinst, aus dem die Träume sind.
Helga Plautz:
"Bücher bieten die einzige Möglichkeit sich eine eigene, freie Meinung zu bilden“, sagte mein Vater. Damit hat er wohl Recht behalten bis zum heutigen Tag und darüber hinaus. Damals wuchs auch in mir die Überzeugung: LESEN! Und zwar ein möglichst großes Spektrum vielfältigster Erzähl- und Dokumentarstile und -richtungen! Diese Auseinandersetzung beginnend in frühester Kindheit ist heute wichtiger denn je - denn auf aktive, denkende und geistig-mobile Menschen wartet eine positive Zukunft! Außerdem: Wer einmal das beglückende Gefühl gespürt hat, in eine Erzählung, einen Roman, ein Gedicht versunken zu sein, einfach "weg“ zu sein - der wird immer wieder der Droge Literatur verfallen. Doch davor sollte es Begleiter in diese so vielfältige Materie geben. Vorbilder, wie ich das Glück hatte eines zu haben.
Heinz Janisch:
Wenn ich als Kind ein Buch über Indianer oder Astronauten oder Tiefseetaucher gelesen habe, dann war ich für Stunden ein Indianer, ein Astronaut, ein Tiefseetaucher. Das war eine wunderbare Erfahrung. Um ein Indianer, ein Astronaut oder ein Tiefseetaucher zu bleiben, habe ich für mich einen guten Trick gefunden. Das gelesene Buch blieb aufgeschlagen, ich holte mir weiße Blätter und legte sie ins Buch hinein. Die Geschichte ging einfach weiter, und ich schrieb die Fortsetzungen. So konnte ich ein Indianer, ein Astronaut, ein Tiefseetaucher bleiben…
Das Lesen hat mich zum Schreiben gebracht. Bis heute schreibe ich jede Geschichte im Kopf weiter. Lesen öffnet Türen und Räume. Man schlägt ein Buch auf - und die Reise beginnt. Lesen schenkt Welt. Mit jeder Seite. Das große Zauberwort dabei heißt UMBLÄTTERN.
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